100 neue Wohnungen, bezugsfertig nach nur sechs Monaten Bauzeit – Geht doch!

Um etwa 250.00 Menschen wird die Bevölkerung von München in den kommenden zwölf Jahren anwachsen – obwohl das Leben in der Stadt teuer und Wohnraum äußerst knapp ist. Wo sollen die Neubürger leben? Wo die jungen Familien, die Kinder bekommen und mehr Platz brauchen? Wo die Alten, deren Rente nicht mehr reicht, die luxussanierten Altbauwohnungen länger zu finanzieren? Wo all die Arbeitskräfte, die zu kleinen Löhnen arbeiten und sich Neubaumieten eher nicht leisten können? 

Die Politik diskutiert über Wohnungsnot, auch bundesweit. Das ist gut. Sozialer Wohnungsbau braucht eine Wiederbelegung. Aber das Bauland ist knapp, die Bauzeiten sind lang. Weil alles so kompliziert zu sein scheint, lohnt es sich, ein innovatives Pilotprojekt genauer anzuschauen: Einen Neubau der GEWOFAG Wohn GmbH, der Ende 2016 fristgerecht fertig gestellt wurde. Direkt über dem Parkplatz des Dantebads. 100 Wohneinheiten entstanden in nur sechs Monaten. Die Kaltmieten liegen bei maximal 9,40 Euro pro Quadratmeter – während der durchschnittliche Mietpreis – Stand Februar 2018 – bei 16,39 Euro liegt. Kleine Wohnungen liegen noch einmal deutlich darüber.

Entlang der Homerstraße und im Rahmen des Wohnungsbausofortprogramms „Wohnen für Alle“ der Landeshauptstadt München realisierte die GEWOFAG ein Pilotprojekt am Wintereingang des Dantebads entlang der Homerstraße: das „Stelzenhaus“.  Es heißt so,  weil es auf dem knapp 4.200 Quadratmeter großen Grundstück, das sich im Eigentum der Stadt befindet, über dem öffentlichen Parkplatz gebaut wurde. Im Erdgeschoss stehen also nach wie vor die Autos, und in den vier Stockwerken darüber befinden sich 100 neue Wohnungen, davon 86 Einzimmerwohnungen und 14 Wohnungen mit 2,5 Zimmern. Verantwortlich für die Architektur zeichnet Prof. Dipl.-Ing. Florian Nagler mit seinem Team.

Flächen doppelt nutzen, bedarfsgerecht bauen

Diese Konstruktion ist ein absolutes Novum. Beim Richtfest verdeutlichte Oberbürgermeister Dieter Reiter, dass eine bereits versiegelte Fläche doppelt genutzt wird. In der Tat: 105 der 111 Parkplätze konnten erhalten werden. Nur sechs Parkplätze mussten der Betonrahmenkonstruktion weichen. Diese wurde nach oben hin mit einer Stahlbetondecke abgeschlossen , dem eigentlichen Fundament des Hauses. So viel Cleverness brachte das Stadtoberhaupt gleich auf gute, weitere Ideen: „Auch Supermarkt-Parkplätze bieten in München viel Potenzial für eine Überbauung, deshalb freue ich mich, dass einige Vertreter großer Supermärkte meiner Einladung zum Richtfest gefolgt sind.“

Verdichtung in der Stadt bedeutet immer den Verlust von Freiflächen. Dabei braucht eine Stadt kaum etwas dringender als öffentlichen Raum. Kleine Grünanlagen und Spielplätze bedeuten Lebensqualität. Aber Parkplätze auch? Wir haben das Gebäude, das längst bewohnt wird, in Augenschein genommen. So, wie es dort als 112 Meter langes und nur 11,40 Meter breites Anwesen steht, fällt es nicht als städtebaulicher Störenfried auf. Überall in München treffen historische und moderne Gebäude aufeinander, das ist Teil der Normalität. Die in Holzsystembauweise gefertigten Wohngeschosse wirken leicht und unaufdringlich. Rundungen an der Nord- und Südseite geben dem Haus einen freundlichen Charakter. Es gibt zwei Treppenhäuser sowie je einen Aufzug. Vier Wohnungen sind rollstuhlgerecht – bei Bedarf könnten weitere Wohnungen so umgerüstet werden. Gemeinschaftsräume, Aufweitungen von Laubengängen und Freiflächen auf dem Dach bieten den Mieterinnen und Mietern Möglichkeiten des Aufenthalts außerhalb ihrer Wohnung und zur Begegnung.

Sind Turboprojekte die Zukunft?

Das „Stelzenhaus“ setzt auch in einer zweiten Hinsicht Maßstäbe: Es wurde in nur einem Jahr realisiert, womit tatsächlich die Spanne von der ersten Idee bis zur Fertigstellung gemeint ist. Stolz dokumentieren die Bauherrn: 2 Monate Planung, 2 Monate Ausschreibung, 2 Monate Baugenehmigung, 2 Monate Fundament, 2 Monate Rohbau. Damit auch der Ausbau in 2 Monaten zu Ende gebracht werden konnte, wurden Arbeiten parallelisiert und viele Bauteile, darunter ganze Bäder, extern vorproduziert. So mussten sie nur noch mit einem Kran an die richtige Stelle gesetzt und dort eingebaut werden. All das macht dieses Turboprojekt zu einer nachahmenswerten Sache. Im Dezember 2017 stellte die GEWOFAG ihr drittes Turboprojekt in der Lerchenau fertig. Bereits im April 2017 hatte sie ihr neues Programm „Zurück zu den Wurzeln“ vorgestellt. Damit will die kommunale Wohnungsbaugesellschaft noch schneller eine große Anzahl an bezahlbaren Wohnungen in München bauen – kostengünstig, aber gleichzeitig hochwertig und ästhetisch. Dabei denkt sie verstärkt an serielle Bauweise, um Kosten zu senken: Mehrere hundert gleiche Fenster sind günstiger als 50. Das Unternehmen weist darauf hin, dass eine Fassade mit vielen gleichen Fenstern nicht langweilig aussehen muss. Das zeigt ein Blick in die Gründersiedlungen, wie man sie zum Beispiel in Neuhausen sieht. 

Die neuen Nachbarn

Bei allen Projekten des Programms „Wohnen für Alle“ steht eine stabile Bewohnerstruktur an erster Stelle. Die Belegung des neuen Hauses wurde vom Amt für Wohnen und Migration im Sozialreferat der Landeshauptstadt München übernommen. Es achtet auf eine ausgewogene Vergabe der Wohnungen gleichermaßen an Frauen wie Männer sowie unterschiedliche Altersklassen. Eine Hälfte der Wohnungen wurde  über die Online-Plattform Sowon an Haushalte vergeben, die berechtigt sind, eine geförderte Wohnung zu bekommen. Die andere Hälfte wurde an anerkannte Flüchtlinge und andere Wohnungslose mit Registrierbescheid vergeben. Wir bunt die Mischung derzeit ist, konnten wir an einigen Fenstergeländern ablesen, an denen sich die weiß-blaue Fahne des Freistaats Bayern, eine brasilianische Flagge, ein Fan-Wimpel des ersten FC St. Pauli und ein kleiner, roter Teppich der Sonne entgegenstreckten.

© Deed Communication Agency