Der grüne und blühende Stadtteil Nymphenburg hat Honigbienen viel zu bieten. Die Imker dort bereiten sich auf den Frühling vor.
Im Frühling, wenn die Blüten locken, kommen sie wieder aus ihren Stöcken gekrochen: die Immen, die Honigmeisterinnen, die Bienen. Gibt es ein sommerlicheres Geräusch als ihr Summen – und ein beruhigenderes, wenn man vom Bienensterben weiß? „Wenn die Biene einmal von der Erde verschwindet, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben“, ist ein Zitat, das gerne – und unbegründet – Albert Einstein zugeschrieben wird. Unbestritten ist dagegen, dass wir ohne die Bestäubung der Pflanzen durch Honigbienen – übrigens auch durch Wildbienen und andere Insekten – ein echtes Problem hätten. Durch ihre Präsenz in den Medien wurde die Biene zur Botschafterin dafür, dass wir alle in einem Ökosystem leben, das auch auf eine winzige, gestreifte Komponente wie die Bestäuberin nicht verzichten kann, und dass es ein Unding ist, dass eine Biene in der Großstadt ein üppigeres Nahrungsangebot findet als auf dem Land. Mittlerweile gibt es im Stadtgebiet München rund 1000 Hobbyimker – so viele sind allein schon beim Kreisverband gemeldet. Im Durchschnitt haben sie vier oder fünf Völker, was zeigt, dass es ihnen nicht um eine reiche Honigausbeute geht, sondern darum, den Bienen zu helfen und einen konkreten Berührungspunkt zur Natur herzustellen. Das ist die Erfahrung von Maja Högner, Vorsitzende des Bienenzuchtvereins München-Nymphenburg, mit rund 75 Mitgliedern einer der kleinsten Vereine in der Stadt: „Das Imkern schafft ein großes Bewusstsein für Zusammenhänge in Natur und Lebensweise.“
Das grüne Nymphenburg mit seinen Gärten, Alleen und dem Schlosspark ist eine ideale Basis für Zeitler, wie sie früher hießen – und fast schon an der Grenze der summenden Auslastung. Viele Menschen, die „mit Sicherheitsabstand“ positiv auf die Imkerei reagieren, haben Angst, wenn ein Stock im Nachbargarten steht – oder auf dem Balkon nebenan, wie auf dem von Armin Pilger, der das Imkern früh vom Vater mitbekommen hat und vor vier Jahren selbst damit begann: „Ich wollte etwas tun, das der Welt nützt, einen Beitrag für die Artenvielfalt leistet.“ Er sieht Monokulturen und den Einsatz von Spritzmitteln in der Landwirtschaft als Ergebnis der Nachfrage an billigen Lebensmitteln – die wir als Endverbraucher durch unseren Konsum mit beeinflussen können. Bienen sind für ihn „die besten Haustiere“ – und seine Nachbarn überwiegend positiv eingestellt. „Wir hatten immer den wildesten und grünsten Balkon“, erzählt Armin, dem auffällt, dass inzwischen immer mehr Nachbarn ihre Balkone ebenfalls üppig begrünen – sicher auch, um den Bienen Futter zu bieten, deren lautes Summen auf viele sehr entspannend wirkt. Seinen Honig fährt der Hobbyimker auf dem Fahrrad aus: Das „Honigfahrrad“ ist eine Plattform im Internet, das die lokale Vermarktung des Produkt fördern möchte. „Der Radius einer nektarsammelnden Biene beträgt drei Kilometer, und das ist auch mein Radius mit dem Radl – ebenfalls CO2-neutral“, so Armin. Für jedes Glas Honig, das er verkauft, spendet er fünf Cent an das „Netzwerk Blühende Landschaft“.
Auch Annika Singers Nachbarn waren zunächst skeptisch: „Viele Leute haben Angst vor allergischen Reaktionen und können manchmal nicht einmal Bienen von Wespen unterscheiden.“ Deshalb setzt sie seit sechs Jahren auf „sanfte Aufklärung, so nachbarschaftlich und offen wie möglich“, die sie mit Honig versüßt: Bienen stechen nicht ohne Not und interessieren sich nicht für die Stockumgebung, sondern wollen nur „ab in die Pflanzen.“ Inzwischen sind ihre Bienen voll akzeptiert: „Manche Nachbarn schicken mir Fotos von einer Mohnblüte in ihrem Garten, auf der drei Bienen sitzen, oder sagen, dass in meinem Honig ist auch ein wenig von ihren Kräutern dabei ist.“ Nach Erfahrung der Bienenfreundin werden die Leute werden immer sensibler für das Thema. Auf Honigverkostungen, die sie als „Honigschlecken“ anbietet, um auf die geschmackliche Vielfalt der Arten aufmerksam zu machen, und auf dem lokalen Hofflohmarkt stößt sie oft auf Reaktionen wie: „Der Honig ist hier aus der Stadt? Das ist ja toll!“
Das Naturprodukt hat die PR-Fachfrau immer schon fasziniert: „Honig ist ein ideales Mitbringsel, lokal und authentisch – und ein Gesprächsthema, das alle interessiert.“ Jede Honigsorte hat ihre Eigenart, wie auch jedes Volk anders ist, wie die Halterin von aktuell fünfen weiß. Und auch jedes Jahr ist anders, aber keines wirklich kompatibel mit dem Rhythmus einer berufstätigen Mutter zweier Kinder. Die Arbeit der Imker richtet sich nicht nach dem Schulferienkalender, aber schärft den Blick für die Jahreszeiten: „Man geht ganz anders durch die Natur, beobachtet alles immer im Hinblick darauf, was es für die Bienen bedeutet.“
Wer den Tieren etwas Gutes tun und für die Artenvielfalt fördern möchte, muss nicht gleich mit der Bienenzucht beginnen, sondern kann beispielsweise Wildbienenhotels aufstellen, von denen viele Insekten profitieren und die gute Gelegenheiten für interessante Beobachtungen bieten. Oder Kräuter wie Basilikum, Salbei und Koriander auf dem Balkon blühen lassen, was die Bienen als Nahrung sehr lieben. Oder aber beim Honigkauf auf das Warenzeichen „Echter Deutscher Honig“ achten und lokale Produzenten unterstützten. Honig verdient ebenso viel Wertschätzung wie die Arbeit der Bienen: Eine Arbeiterin produziert im Lauf ihres Lebens, das im Sommer sechs Wochen lang dauert, gerade mal einen Teelöffel davon.
Annika Singer: www.honig-schlecken.de
Armin Pilger: http://nymphenburg.honigfahrrad.de
www.bienenzuchtverein-muenchen.de
www.stadtimker.de
Über Honig:
Die Süße des Honigs ist schon lange bekannt: Eine 12.000 Jahre alte Felszeichnung in Spanien zeigt zwei Menschen, die beim Honigsammeln zahlreiche Stiche riskieren. Da eine Biene den Stich für die Verteidigung ihres Stockes mit dem Leben bezahlt, ist sie nicht nur Symbol für Fleiß, Struktur und Zukunftsvorsorge, sondern auch für Gemeinschaftssinn und Selbstaufopferung. Sie wird darüber hinaus mit Magie und Prophetie, mit Seele und Inspiration assoziiert: In der Mythologie des Hinduismus werden die Götter als „Honiggeborene“ bezeichnet, in der des alten Ägyptens entstammen die Bienen den Tränen des Sonnengottes, für die alten Griechen nährten sie Göttervater Zeus als Baby mit Honig. In der Bibel gilt Honig das Maß göttlicher Wahrheit, im Islam die Biene als Zeichen göttlichen Wirkens. Kirchenvater Augustinus war begeisterter Imker und sah in der Biene die Verkörperung von Keuschheit und Reinheit, Kirchenvater Ambrosius war Schutzpatron der Imker und Bienen. Im Barock erfuhr Honig als Symbol irdischer Freuden dann eine weltlichere Bedeutung. Viele Dichter und Philosophen verglichen ihre Arbeit mit denen von Bienen: Der Schreibende sammelt, einer Biene gleich, den Nektar aus verschiedenen Blüten – und macht daraus etwas ganz Eigenes. So schrieb Rilke: „Wir sind die Bienen des Unsichtbaren.“ Unsichtbar ist auch der spirituelle Anteil des uralten „Pfades des Pollens“, den Bienenschamanen gehen.
Das Ergebnis der bienenfleißigen Arbeit ist Honig: Flüssiges Gold, das aus Fruchtzucker, Traubenzucker, Mineralstoffen und Enzymen besteht. Die „Honigmeisterin“, wie Barockdichter Paul Fleming sie nannte, nimmt Nektar oder Honigtau mit ihrem Rüssel auf. Im Stock wird der Ausgangsstoff während der Reifung immer wieder umgelagert. Auf diese Weise wird er durch Emzyme und Säuren des Bienenkörpers verändert. Dabei entstehen Stoffe, die antibakteriell wirken und so den Honig haltbar machen. Mit schnellen Flügelbewegungen wird der Stoff „befächert“, damit er schneller eindickt. Der fertige Honig wird in der Nähe des Brutnestes eingelagert und mit einer Wachsschicht versiegelt.
Jede Pflanze, die Nektar oder Honigtau hervorbringt, mischt dabei einen eigenen Cocktail an Geschmack, Farbe und auch Wirkstoffen: Raps, Akazie, Sonnenblume, Heide, Linde, Klee sind die bei uns bekanntesten. Aber auch Kastanien und Buchweizen tragen ihr Teil zur Honigproduktion bei, ebenso wie Eukalyptus und Lavendel, Orangenblüte und Thymian.