Dies ist ein sehr privater Erfahrungsbericht, dessen Lektüre durch lüsterne Gestalten mich ebenso unangenehm berühren würde wie das öffentliche Gespräch über die bloßgelegte körperliche Beschaffenheit und persönliche Vorlieben. Ich bitte die werte Leserschaft deshalb um eine maßvolle Diskretion, wenn ich sie, was nun geschehen soll, in die Tücken und Freuden des Wäschekaufs einweihe.

Meine Figur entspricht nicht in vollem Umfang den Vorstellungen derer, die Frauen hübsche Dessous auf den Leib schneidern. Nicht, dass ich völlig aus den Fugen geraten wäre, aber für eine Rubens-Schönheit fehlt es an Oberweite, für Cindy Crawford sind die Beine zu kurz, und für eine Steffi Graf ist der Hüftumfang doch eher zu üppig. Anders als David Beckham habe ich keine anatomischen Argumente, meinen Körper in Schaufenstern auszustellen.

Erschwerend kommt hinzu, dass das Altern seinen Lauf nimmt und Spuren hinterlässt, die niemand – auch ich nicht – sehen möchte. Den naheliegenden Gedanken, mir fortan eine Burka überzustreifen, habe ich dennoch verworfen. Beim Fahrradfahren ist das zu gefährlich, beim Schreiben, das nach Freiheit drängt, eher einschränkend. Außerdem würde der Ganzkörperschleier–
man trägt ja noch eine Verhüllungsschicht darunter – mein größtes Problem auch nicht lösen: neue Unterwäsche kaufen zu müssen. Und genau das steht nun an, denn die Gummis der Slips sind über die Jahre ausgeleiert, das Weiß der Büstenhalter wurde grau, das letzte Mieder ist eingelaufen. Erst gestern stand ich abends vor dem Zuber und wusch mein letztes Hemd.
Auf Rat einer Freundin hatte ich bereits im vergangenen Monat versucht, der direkten Konfrontation mit einer grell beleuchteten Ankleidekabine auszuweichen und das Internet konsultiert. Die schließlich bestellte und schnell gelieferte Design-Ausbeute war durchaus hübsch, aber mein Bauch warf, als ich mich selbstkritisch betrachte, über dem engen Hipsterband Wellen, die selbst durch den mädchenhaft knappen Beinausschnitt von der Seite zu sehen waren. Und die vom Bra leicht angehobenen Brüste ließen eine kleine Falte im Dekolleté entstehen. Entsetzlich, nicht entzückend! Zu allem Übel verbreiteten Schlüpfer & Co. ein Odeur, das mich erahnen ließ, dass weniger der französische Familienbetrieb als vielmehr ein Mottenkugelhersteller im Herzen Shanghais als Hersteller dessen in Frage kam, womit ich soeben meinen fast nackten Körper beim Anprobieren umhüllt hatte. Ich war bedient. Keine Frage, dass ich diese Leibwäsche umgehend retournieren müsste.

Es kam, wie es kommen musste: Auf ins Kaufhaus, alle Sinne befragen, mich inspirieren lassen. Klingende Markennamen, niedliche Karos, süße Spitzen, frivoles Rot. Vom fleischfarbenen Riesen-BH über adrette weiße Feinripp-Slips zum winzigen Strumpfhalter im Boudoir-Stil war alles zu finden. Aber wo war etwas für mich? Ich hätte einen langen Roman zu Ende lesen können, bis es mir endlich gelang, eine Verkäuferin dingfest zu machen, die das Versprechen ausstrahlte, mir mit behutsamen Ratschlägen zur Seite zu stehen. Mehr Unterbrustumfang oder eine größere Körbchenweite? Bauchnabel zeigen oder nicht? Aber weit gefehlt! Meine Fragen schienen sie erst zu langweilen, später anzustrengen. Dem Wunsch, mir den Body mit schwarzem Samtrand eine Nummer größer zu bringen, kam sie nur in äußerst gereizter Stimmung nach. Wundert es jemanden, dass ich darüber den Mut verlor? Mich unverstanden in das über Nacht getrocknete Hemd flüchtete und es in die Länge zog, wie einst das Mädchen im Sterntaler-Märchen, um das rutschende, formlose Etwas, das derzeit noch das schönere meiner beiden U-Höschen war, schamhaft abzudecken. Lieber als hier einzukaufen würde ich auch das noch viele Jahre tragen – und auf die Gunst des Himmels warten.

Nun, es regnete keine Taler, aber ich fand trotzdem mein Glück – in Form eines Hemds aus allerfeinstem Leinen. Dazu sechs zarte und zwickfreie, perfekt passende Pants, ein leichtes Nachtgewand, das nicht mehr wiegt als ein Amselweibchen im Frühling, und einige andere reizende Lingerie-Träume, über deren mal puristische, mal edle Schönheit ich mich hier nicht weiter ausbreiten will. Sehr gelobt werden soll nur noch die Aufmerksamkeit der Inhaberin des kleinen Ladens, die meine Proportionen schweigend und allein mit den Augen vermaß, um dann mit einem leisen Griff in die Kiste genau das Produkt herauszuzaubern, das meinem Körper recht gefällig war und meine Sinne über die Maßen zu erfreuen vermochte. Der äußerst begehrenswerten Luxuswäsche aus dem Schweizer Hause Zimmerli allerdings musste ich – dem Salaire einer Schreiberin entsprechend – schwersten Herzens widerstehen. Dennoch besteht Hoffnung, diese (eventuell vorläufige?) Nichterfüllung des von Stunde zu Stunde mächtiger werdenden Wunsches verkraften zu können. Immerhin stehe ich jetzt nicht mehr halbnackt vor Ihnen, liebe Leser, kann auf das abendliche Wäschewringen verzichten – und fühle mich endlich wieder richtig wohl – nicht nur auf der Haut, sondern sogar in meiner Haut.


Wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, dass dieser Artikel aus der Feder unserer LocalLIFE-Autorin – soweit wir ihn überprüfen konnten – auf Tatsachen basiert, die sich, insbesondere den Ausgang der Versuchsreihe betreffend, im Herzen Neuhausens zugetragen haben.

Wir gratulieren Monica Aguggiaro zum erfolgreichen Abschneiden – und zum 25. Geburtstag ihres zauberhaften Ladens für Damenwäsche, Mieder, Badekleidung und mehr.