backstage

Im Backstage hat 2016 eine neue Zeitrechnung begonnen. Jacken mit Pelz werden an der Garderobe generell nicht mehr angenommen. Das wirft Fragen auf – bei Pelzträgern sowieso, aber auch bei denen, die schon wissen, wie viel Tierelend mit der Pelzherstellung verbunden ist. Unterm Strich ist die Sache ein wenig kompliziert. Aber sie ist auch großartig, weil endlich einmal jemand den Tatsachen ins Auge blickt: Pelze sind nicht die Häute von Tieren, die ein langes Leben hinter sich gebracht haben und friedlich einschlafen durften. Pelze sind die Kleider junger Tiere, die ein kurzes Leben freudlos und oft qualvoll in kleinen Käfigen verbringen, damit ihr Fell makellos ist, wenn wir es ihnen über die Ohren ziehen. Haben wir Menschen das nötig? Etwa weil wir haarlos sind und frieren? Weil wir hungrig sind und das Fleisch der hübschen Tierchen essen wollen? Noch nicht einmal das! Wenn’s um Pelz geht, geht es um Beauty, Geld und Macht.

Ludwig XIV. im blauen, innen pelzbesetzten Hermelinmantel – so wie ihn später auch König Ludwig II. trug. Papst Benedikt XVI. mit hermelinverbrämter Mozzetta auf den Schultern und Camauro auf dem Kopf. Kate Moss im weißen Nerz, Kylie Minogue im Polarfuchs-Cape, Rapper Jay-Z mit Zobelmütze … Pelz zu tragen ist ein Zeichen der Macht und ein Zeichen dafür, dass man sich etwas leisten kann. Und es ist ein Schmuck, denn das weiche, zarte Fell schmeichelt jeder Haut. Füchse, Biber, Marder, Nerze, Kaninchen, Fohlen, Lämmer, Chinchillas, Otter, Hamster, Leoparden, Waschbären, Hunde und Katzen: Es gibt wohl kaum ein haariges Wesen, das nicht hätte schon als Pelzquelle herhalten müssen. In der Frühzeit des Menschen war es noch naheliegend, sich das Fell des Bären, den man gerade erlegt und dessen Schinken man verzehrt hatte, an kalten Tagen über die Schulter zu werfen. In späteren Zeiten verselbstständigte sich allerdings der Prozess der Pelzerzeugung: Satte Menschen, die längst in der Lage waren, warme Kleidung herzustellen, jagten Wildtiere mit dem einzigen Ziel, ihr Fell zu vermarkten. Noch effizienter wurde die Jagd nach Pelz durch gezielte Zucht. Die Tierrechtsorganisation PETA hat deren Grausamkeit über Jahre hinweg immer wieder enthüllt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Wer mehr wissen will, findet im Internet einschlägige Reportagen.

In §1 des deutschen Tierschutzgesetzes steht der Grundsatz: „Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.“ Im Juli des vergangenen Jahres hat der Bundesrat ein Verbot der Pelztierhaltung in Aussicht gestellt, weil eine tierschutzgerechte Haltung in der Zucht „offenbar nicht sicherzustellen“ sei. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft stellt fest: „Da ein Pelzmantel kein elementares Grundbedürfnis ist, besteht auch kein Grund zum Halten und Töten von Tieren zur Pelzgewinnung.“ Den neun in Deutschland noch existierenden Unternehmen wird eine Übergangszeit von zehn Jahren eingeräumt. Ab 2025 schließlich wird es verboten sein, Tiere wie Rotfuchs und Sumpfbiber nur deshalb zu halten, um aus ihnen Mäntel, Kapuzenverbrämungen und dicke Pelzbommeln zu fertigen. Einige europäische Staaten wie Österreich, Kroatien und England haben die Pelztierhaltung inzwischen ganz oder teilweise verboten. In den Niederlanden sollen bis 2024 alle Nerzfarmen geschlossen werden. Der dem Profit und Luxus dienende Feldzug Mensch gegen Tier wird zumindest an diesem einen Punkt ein Ende finden. In Teilen Europas. In einer kleinen Ewigkeit.

Derweil werden die Konsumpaläste nach wie vor mit Pelzen geflutet. Glänzende Nerzcapes und schwarzlockige Persianermäntel – hergestellt aus zu früh geborenen Karakullämmern – mögen aus der Mode gekommen sein, dafür ziert häufiger undefinierbares Fell die Winterkollektionen kleiner und großer Marken. Nicht alles stammt aus der Zucht, so einiges kommt aus unkontrolliertem „Wildfang“: Da werden Hunde und Katzen und Ratten und Kaninchen erschlagen und abgezogen, nicht selten bei lebendigem Leib. Auch ihre Felle sind lukrative Handelsware. Gut für Accessoires. Bommeln eben. Oder Schlüsselanhänger.

Mit der Entscheidung, keine pelzbesetzten Jacken mehr an der Garderobe anzunehmen, setzt das Backstage ein Zeichen gegen Ignoranz und Gleichgültigkeit der Konsumenten, die den Pelzhandel lebendig halten. „Ihr wollt ja nur Publicity erzeugen“, mutmaßen einige der Betroffenen in den sozialen Medien – und vergessen dabei, dass das Backstage mit der neuen Garderobenpolitik sogar riskiert, Kunden zu vergraulen. Die ersten Kommentare in den sozialen Medien waren zwar durchaus positiv, aber Empörung fand sich eben auch. Manche Besucher pochen auf ihre persönliche Freiheit – und vergessen dabei vielleicht deren wichtigstes Pendant: Verantwortung.

Warum werden immer noch Pelze getragen, fragt man sich – so, wie man sich auch fragt, warum so viele hirnlose Menschen immer noch tonnenweise Plastik aus den Läden tragen, obwohl inzwischen mehr Plastik als Fisch in den Weltmeeren schwimmt. Gerne möchte man verstehen, warum 15-jährige Prinzessinnen und 18-jährige Abiturienten und 25-jährige Jungmanager so nonchalant von ihrer Freiheit reden, wenn sie auf ihre Pelzbesätze angesprochen werden. Sind sie mit Aussagen wie „das sieht einfach geil aus“, „fühlt sich echt besser an“, „ich stehe auf Luxus“ und „Tierschützer nerven nur“ nicht genauso verantwortungslos wie die afrikanischen Wildererbanden, die Elefanten töten, nur um mit Elfenbein Geld zu verdienen?

Die Aufforderung, auf Pelz zu verzichten, um Tieren Leid zu ersparen, weckt Emotionen. Muss ich jetzt Vegetarier werden? Oder vielleicht sogar Veganer? Nein, das muss man nicht. Kein Mensch braucht Pelz, jeder Mensch kann hier und heute ganz ohne Pelz frei und glücklich leben. Pelzverzicht ist ein per se wertvoller Schritt. Ob der Mensch dann weiterdenkt und sich überlegt, wie das Leben der Tiere auf seinem Teller vorher ausgesehen haben mag, ist ein verwandtes, aber eben doch ein anderes Thema. Gleichwohl beschäftigt auch das aktuell die Gemüter: „Warum verbietet ihr keine Lederjacken?“, wurde das Backstage nach Bekanntgabe seiner Entscheidung schnell gefragt. Logisch: Wer keine Tiere mehr isst, der kann auch im Leder nicht länger eine ethisch korrekte Ressource sehen.

Pelzkritisch eingestellte Konsumenten, die auf Flauschoptik nicht verzichten mögen, kaufen gern Pelzimitate. Das klingt vernünftig, ist es aber häufig nicht. Insider erklären, dass 80 Prozent der so deklarierten Produkte keine Webpelze, sondern falsch deklarierte Echtpelze sind. Kein teurer Zobel, aber irgendein Billigtier der Kategorie „Wildfang“. Aus diesem Grund – und weil kein Garderobier Echt- und Kunstfell auf die Schnelle unterscheiden kann – wird jeglicher Pelz im Backstage zurückgewiesen.

Papst Franziskus hätte übrigens keinerlei Probleme, sein Outdoor-Gewand im Kulttempel an der Bahn loszuwerden, denn das Tragen eines Hermelinmantels hat er einfach abgelehnt.