Die libanesische Küche ist eine fettarme, mediterrane Küche mit Zutaten, die auf der Strecke von Griechenland über die Türkei bis nach Israel auf den Tisch kommen: Gemüse, Zitronen, Oliven, Joghurt, frischer Fisch und zartes Lammfleisch spielen eine wichtige Rolle. Durch Kichererbsen und Sesam, Koriander und Granatapfel werden die Gerichte landestypisch verfeinert. Die Küche ihres Vaters Landes ähnele am ehesten noch der von Syrien und Palästina, sagt Janett Istifan, die Inhaberin des Restaurants Leonrod – und sei etwa von der türkischen doch recht verschieden. Weniger Knoblauch, mehr Nüsse, viele Kräuter, auch süßes Obst. Klingt lecker, also nichts wie hin in die Leonrodstraße 45 …
Die Speisekarte macht es leicht: „Ihr erstes Mal libanesisch? Unsere Empfehlung.“ Bestellen wir also gleich hausgemachte Mezze, ein appetitliches Sortiment warmer und kalter Vorspeisen, die auf landestypische Art auf einzelnen Tellerchen serviert werden – und uns ausnahmslos überzeugen. Der Petersiliensalat mit Tomaten und Grieß, Taboulé genannt, ist frisch und leicht. Die Wachtelbohnen mit Sellerie und Karotten schmecken ebenso fein wie die grünen Bohnen mit Koriander. Zarte Blätterteigröllchen mit zitronig angehauchtem Schafskäse, Joghurt mit Minze, Harissa mit Walnüssen und Granatapfelsirup, yummi! Das Kichererbsenpüree Hummus wird gleich in drei Varianten angeboten: mit Tomaten und Pinienkernen, mit gebratenem Lammfleisch oder mit der Sesampaste Tahin. Auberginen kommen entweder gegrillt mit Tomaten, Zwiebeln und Paprika aus dem Ofen oder sie werden fein püriert mit Sesamöl als Aufstrich angeboten. Dazu wird dünnstes Fladenbrot gereicht, das in Folie eingewickelt auf den Tisch kommt, damit es nicht zu schnell austrocknet. In Beirut sei das so üblich, erklärt Janett Istifan uns fragenden Gästen. Und sie informiert uns auch gleich darüber, dass ihre Falafel eindeutig die besten in München seien: eingeweichte, aber noch rohe Kichererbsen werden durch den Fleischwolf gedreht und mit viel Gefühl pikant gewürzt. Zum Schluss frischer Koriander und Petersilie hinein – und ab ins Öl. Allenfalls am Viktualienmarkt habe sie einmal Falafel gegessen, die sich mit ihren Bällchen vergleichen ließen.
Janett Istifan ist 47 Jahre alt. Die in der Türkei geborene Tochter eines Libanesen und einer Syrerin kam im Babyalter von acht Monaten mit ihren Eltern von Beirut nach Deutschland und lebt seitdem in Neuhausen. In der Blutenburgstraße ist sie groß geworden, später ist sie in die Leonrodstraße umgezogen. Dort betreibt sie auch das gleichnamige Lokal, eines der wenigen libanesischen Restaurants der Stadt. Die Christin ist mit einem Syrer verheirat, hat drei Kinder und drei Enkelkinder. Der jüngste Sohn arbeitet im Restaurant und absolviert gerade eine Gastronomie-Ausbildung bei der Mutter. In der Küche wirken drei Köche, denn es gibt immer viel zu tun, wenn alle Gerichte frisch zubereitet werden. Und dass das so ist, darauf legt Janett Istifan größten Wert. Alles, von der Linsensuppe mit Zitrone bis zu den Hauptgerichten, wird nach allen Regeln der libanesischen Kochkunst zubereitet, die sie bei Besuchen in Beirut immer wieder aufs Neue aufmerksam studiert. Wie in der libanesischen Küche – die im Laufe ihrer langen Geschichte auch die Küche des Osmanischen Reiches beeinflusst haben soll – üblich, werden die mit Lammfleisch oder Huhn zubereiteten Grillgerichte mit Fladenbrot und Salat serviert, die aus Fleisch und Gemüse bestehenden Pfannengerichte mit Reis und die Fischgerichte mit Kartoffeln und Salat. Als Dessert gibt es Baklava, also mit Walnüssen, Mandeln oder Pistazien gefüllten Blätterteig. Knafeh – ein aus Teigfäden gesponnenes Gebilde – wird ebenso wie die Grießroulade mit hausgemachter Naschkatzen-Füllung angeboten.
Zu den Gästen des Restaurants Leonrod zählen neben den Nachbarn, die das leckere Angebot zu schätzen wissen, vor allem im Sommer viele Araber aus den Emiraten. Beim ihrem ersten Besuch kommen sie meistens auf Empfehlung ihres Hotels, weil sie sich ungern auf neue Speisen einstellen, verrät uns Janett Istifan, auch im Nahen Osten sei die Haltung „was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht“ durchaus verbreitet. Bei ihren folgenden Besuchen sind sie dann meistens schon rundum überzeugt – und reichen ihre Erfahrung per Mundpropaganda weiter. Die libanesische Küche hat einen exzellenten Ruf, weshalb auch Syrer und Palästinenser von sich selbst sagen, dass sie libanesisch kochen. Die arabischen Gäste der Stadt kommen in Männergruppen oder mit ihren Familien. Oder sie bringen auch noch das Personal mit, je nach Großzügigkeit. Janett Istifan bietet nur Halal-Produkte an, um dieser Kundengruppe zu entsprechen. Bauchtanzveranstaltungen dagegen organisiert sie nicht mehr, der Tanz passe zwar in eine libanesische Gesellschaft, aber nicht in die arabische Welt. Sie hat keine Probleme damit, den Gästen Alkohol anzubieten, die ihm zugetan sind. Auf der Karte finden sich neben anderen Getränken türkische und libanesische Weine.
Gastfreundschaft hat im Libanon eine lange Tradition.
Das Restaurant Leonrod läuft gut. Darum macht sich Familie Istifan auch Gedanken darüber, wie sie anderen helfen kann, die mit größeren Sorgen leben müssen. Letzte Weihnachten hatte sie den Plan, Münchner Asylbewerber mit großen Gulaschkanonen ein Essen zu spendieren. Als das sich als unmöglich erwies, luden sie kurzerhand 30 Kinder ein, die ohne Eltern allein in Deutschland angekommen waren, darunter etliche Syrer. Selbst beim Essen erinnerten sich die Kinder an einen gleichaltrigen Flüchtlingsknaben, der gerade im Krankenhaus weilte. Sie baten darum, auch ihm eine Portion Essen mitnehmen zu dürfen. Ein Junge aus Ghana hatte vor kurzem seinen Bruder verloren, in der Gemeinschaft fand er ein wenig Trost. Für sie sei es das schönste Weihnachtsfest seit langem gewesen, erzählt Janett Istifan. Ein jugendlicher Tunesier jüdischen Glaubens habe ihr übrigens beim Essen verraten, dass er gern eine Ausbildung als Koch machen würde. Aktuell klärt die Neuhauserin ab, ob und wie sie ihn einstellen kann.
www.leonrod45.de