Siegfried-Daiber

Das letzte Vorstadtkino in Neuhausen! Eine Institution! Ein charmanter Ort unter der Leitung von Siegfried Daiber, einem hellen Geist mit Charme, Witz und Verstand. Das Maxim: Ab März 2016 vielleicht ein Auslaufmodell, weil der Mietvertrag gekündigt wurde und der vorgelegte neue in finanzielle Dimensionen führt, die Daiber nicht mehr stemmen kann. Sein Kontakt zum Vermieter sei sehr reduziert, sagt er uns, als wir vorsichtig nachfragen, ob eine Rettung zu erwarten ist.

„Da geh ich ins Maxim“ ist ein bekannter Operettenschlager. Johannes Heesters hat ihn ab 1938 zum Evergreen gemacht, damals, als er am Gärtnerplatztheater in Franz Lehárs „Die lustige Witwe“ spielte. Vom Zeitpunkt und auch vom Ort her betrachtet könnte der Niederländer tatsächlich das Maxim-Kino in Neuhausen gemeint haben, denn das 1912 gegründete Filmtheater ist eines der drei ältesten Kinos Münchens. Aber er sang ja nicht als „Jopie“, der er war, sondern in seiner Rolle als Graf Dadilo. Dieser hatte zu Beginn des 20. Jahrhunderts um die Gunst einer Gräfin geworben – und Ort der Handlung war Paris. Das Neuhauser Vorortkino hieß zudem damals, als der Niederländer die Aufmerksamkeit des Publikums von den dunklen Wolken draußen auf die leichte Muse lenkte, noch nicht so wie heute, sondern: „Hindenburg Lichtspiele“. Erst 1953 wurde daraus das „Maxim“.

Als Siegfried Daiber das Lichtspielhaus im Jahr 1978 übernahm, entwickelte sich langsam das, was heute seinen Reiz und sein Niveau ausmacht: Programmkino. Dokumentationskino. Dritte-Welt-Film-Kino. Frauenfilmkino. Gegenwartskino. Seit nunmehr 38 Jahren holt das Maxim-Kino Themen ans Licht, bringt Filme für das besondere Publikum, präsentiert alte Raritäten und neue Ideen. Es ist offen für junge Filmschaffende, Künstler und kreative Köpfe. Und es ist ein Treffpunkt für alle, die Filme in ihren Köpfen weiterleben lassen.

Wo sonst in München war im Jahr 2015 eine umfassende Schlingensief-Retrospektive zu sehen? Wo sonst gab es eine Frauenfilmreihe, in der Angela Davis, feministische Vampirinnen, Geraldine Chaplin und Susan Sontag eine Rolle spielen? Wo sonst können Besucher vorschlagen, welche Filme demnächst zu sehen sein sollen? Und wo sonst gibt es ein Kino mit diesem einzigartigen, nostalgischen Flair?

Blockbuster-Oligarchie, Popcorn-Vertrieb, Multiplex-Kulturkonsum: So sehen viele moderne Kinos aus. Natürlich, ohne Geld zu verdienen kann keiner leben, sagt man sich – und verliert den Blick für das, was trotzdem möglich ist. Das Maxim-Kino geht andere Wege, sicher auch darum, weil es andere Grundvoraussetzungen hat: Als Einzelbetreiber mit nur einer Leinwand bekommt Siegfried Daiber keine Erstaufführungen ins Haus, entsprechend auch keine Kassenknüller. Zudem muss er damit leben, dass sein Standort, Neuhausen, im Kopf potenzieller Besucher schon als Peripherie wahrgenommen wird, obwohl das Maxim-Kino leichter zu erreichen ist, als manche denken. Die Kundschaft sei zentrumsfixiert, sagt er, mit erfreulich entspanntem Unterton. Es sei nun mal so. Und er stehe eben für ein Stadtteilkino „der neueren Konfiguration“. Was das für ihn bedeutet? Er möchte den Ort bereitstellen, an dem Leute in einem Kino selbst etwas machen. Wie die Frauenfilmwoche, die bereits seit 1995 einmal jährlich stattfindet, oder wie das viel beachtete Festival des gescheiterten Films. Er hat einfach Freude daran, auch schräge und hintergründige, aufmüpfige und futuristische Filme zu zeigen, darunter eben auch solche,  die sonst überhaupt nicht in den Kinos gespielt werden. Im Maxim finden Ausstellungen statt, Theaterleute dürfen den Raum für Proben und Aufführungen nutzen, Interessenten können sich für private oder geschäftliche Veranstaltungen einmieten. Maxim-Freunde wissen, dass Kino so vieles sein kann: Kino ist Leben. Kino ist Nachdenken. Kino ist nie zu Ende.

Heute kann jeder jedes Filmwerk auch in digitaler Form und für den Eigenbedarf erwerben. Alte Schlingensief-Streifen, Jopie-Heesters-Rollen von 1924 bis 2011, Klassiker vom Stummfilm bis in die Gegenwart: All das gibt es auf DVD und Blue Ray – oder noch einfacher als Datei zum Download auf das Tablet fürs Sofa daheim. Wer sich auskennt, findet jeden Film, weiß Siegfried Daiber zu berichten – und das ist doch eigentlich eine gute Nachricht. Andererseits: Wissen alle Menschen, wonach sie suchen sollen? Ist das Kino nicht, wie eine gute Zeitungsredaktion, eine Institution des Wissens, die hilft, Orientierung in der sehr komplexen Welt zu schaffen?

Die Zeiten ändern sich, und auch Siegfried Daiber sieht keine Veranlassung, sich dagegen aufzulehnen. Im Moment liegen eben Serien im Trend. Die Menschen bleiben zu Hause und holen sich ihre Staffeln und Episoden im Internet ab. Aber wäre es nicht trotzdem lohnenswert, ab und an gemeinsam darüber zu reden? Und: Wo ginge das besser als an einem besonderen Ort wie dem Maxim-Kino, das gegen den Mainstream schwimmend stets jung und kreativ geblieben ist?

Es gibt, so erzählt uns Siegfried Daiber, ein paar Nachwuchs-Cineasten, die sich für eine Zukunft des Maxims engagieren. Das ist doch eine gute Nachricht! Am 17. November haben sie eine Petition für den Erhalt des Maxim-Kinos gestartet. Nur fünf Tage später hatten bereits über 800 Personen diese Eingabe unterschrieben, die an den Oberbürgermeister Dieter Reiter, Bürgermeister Josef Schmidt, Bürgermeisterin Christine Strobl und das Kulturreferat München gerichtet ist. Weitere Unterstützer werden dringend gesucht. Je mehr Menschen sich anschließen, desto größer sind die Aussichten auf Erfolg! Mehr dazu unter www.change.org. Stichwort: MAXIM.

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Das legendäre Lichtspielhaus von 1912