Figuren wie du und ich: eitle Menschen, verletzliche, charmante. Aus Keramik geformt, im Ofen gebacken, mit Acrylfarbe überzogen. Gesichter blicken uns an, die Körper erzählen uns eine Geschichte. Lebendige Figuren, ins Leben gerufen von der Neuhauserin Angela Eberhard – in ihrem Atelier in der Fasaneriestraße 6.

Eigentlich würde sich die Künstlerin heute nicht mit kleinen, etwa 45 Zentimeter hohen Menschen aus Ton beschäftigen, sondern mit viel größeren aus Fleisch und Blut: Studenten zum Beispiel. Denen würde sie etwas erzählen über die Nöte anderer, die nach sozialpädagogischen Lehren betreut und aufgebaut werden können. Eigentlich. Dass die promovierte und soeben auf eine Fachhochschulprofessur berufene Wissenschaftlerin beschloss, das Sujet Mensch fortan ganz anders zu erforschen und sich ab sofort der Kunst zuzuwenden, überraschte sie zuerst einmal selbst. Zwar hatte Angela Eberhard bereits seit ihrem 13. Lebensjahr mit Ton modelliert und seit 1989 diverse bildhauerische Kurse besucht. Aber als sie 2005 plötzlich den Schalter umlegte – weniger Kopf-, mehr Handarbeit – stellte sie sich selbst vor vollendete Tatsachen. Jetzt würde sie endlich Menschen BE-GREIFEN. Sie brachte das Talent ein, dreidimensional zu sehen und zu denken. Sie hatte die Motivation. Und sie war fleißig. Auf diese Weise gelang es ihr, eine eigene Bildsprache zu entwickeln. Heute steckt ihr Kopf voller Ideen. Sie ist in ihrem Element. Sie ist bei sich angekommen und beherrscht ihr Handwerk perfekt.

Angela Eberhard studiert Gesichter und Körper von Menschen sehr gründlich. Sie erfasst Details und Nuancen, sieht jede Falte – und blickt tief in die Seelen hinein. Sie kann sehr realistische Darstellungen von Menschen formen – und macht dies als Auftragsarbeit auch immer wieder. Ihre frei entwickelten Figuren allerdings sind Kunstobjekte, die jeder glaubt, schon einmal gesehen zu haben, und darüber hinaus sind sie pointierte Kommentare zu unserer kunterbunten Welt. Angela Eberhards Figuren bringen sogar recht komplexe Themen auf den Punkt. Der alte Herr zum Beispiel, der einen Teddybären wie ein Schutzschild vor sich hält, zeigt viel von der seelischen Verfassung eines alten Menschen, der in den Jahren des Vergessens angekommen ist. Der männliche Beau in der engen, gelben Hose und mit nacktem Oberkörper zeigt, dass Testosteron ein Hormon ist, auf das man aufpassen muss. „Vögel singen, wenn ihr Testosteron-Spiegel steigt“, erklärt Angela Eberhard ihre Figur lachend, „und es wäre doch wunderbar, wenn Männer diese Fähigkeit mit Anstieg des Pegels auch erreichen würden.“ Nein, gemein und böse seien ihre Kommentare nie, glaubt Angela Eberhard, vielmehr irgendwo auf einer Skala von humorvoll bis tragisch anzusiedeln. Der Chef mit dem Hahnenkamm – „Gustav gockelt“. Der wütende Mann mit einem Schnuller im Mund: „Hermann muss sich (???) beruhigen.“ Jede der Figuren ist ein individueller Charakter – und es kam sogar schon vor, dass sich einer so sehr verselbstständigt hat, dass er der Künstlerin jetzt gegen den Strich geht: „Das hier ist eine Figur, die ich gar nicht leiden kann“, berichtet Angela Eberhard heiter mit Hinweis auf die „Königstochter“, „aber sie durfte trotzdem leben. Und es hat sich auch eine Käuferin gefunden, die sich genau in diesem Objekt erkannt hat – und diese Frau war mir sogar sympathisch!“

Immer wieder macht Angela Eberhard auf Ausstellungen die Erfahrung, dass Menschen Bezüge erkennen. So ging erst jüngst eine Frau zielstrebig auf die Figur „Feindliche Übernahme“ zu, die eine ängstliche Frau mit einer übergriffigen Krake auf dem Kopf zeigt. Die Besucherin kannte Panikattacken aus eigener Erfahrung und fand ihre Gefühle trefflich dargestellt. Es kann gut möglich sein, dass Angela Eberhard diesen Tiefgang ihrer Figuren auch deswegen erzielt, weil sie sich im ersten Leben als Akademikerin intensiv mit Menschen, ihren Nöten und ihren Wünschen beschäftigt hat.

Das Atelier von Angela Eberhard ist am 13./14. Oktober im Rahmen der Kultüren geöffnet.

Weitere Informationen: www.figurenwerk.com