Elvirastraße, Ecke Blutenburgstraße: dort haben sich wahre Meister ihres Fachs zusammengefunden, um die Anwohner und die Mitarbeiter der umliegenden Unternehmen mit sehr feinem, regionalem und von fernen Orten inspiriertem Essen zu verwöhnen. In Produkten gesprochen: Es gibt ausgewählte Obst- und Gemüsesorten des Obsthof Bucher vom Bodensee, ein großartiges Käse-Sortiment  des Tölzer Kasladens und verführerisches Seelenfutter – von zwei Frauen nach ebenso gesunden wie schmackhaften Rezepten direkt auf den Mittagstisch gezaubert.

Was aus einer Apotheke alles werden kann … Die Nachbarn der Genussmeisterei erinnern sich daran, dass eines Tages vor rund vier Jahren ein Mann vor den leeren Ladensräumen des Heilmittelgeschäfts, das ein paar Häuser weiter gezogen war, im geschützten Eingang draußen Platz nahm. Er trotzte Wind und Wetter, schaute ebenso offen wie freundlich und bot ein paar Obstsorten feil. Es war Markus Jellen, ein erster Bote des Obst- und Gemüsehändlers Marco Stohr. Der Mann auf dem Hocker sollte herausfinden, ob sich im Neuhauser Vinzenzviertel interessierte Käufer würden finden lassen. Menschen kamen ins Gespräch miteinander, Anwohner verkosteten aufgeschnittene Früchte – und es begann etwas Neues zu wachsen.

Von Beginn an waren Nachbarschaft und Kommunikation genauso so wichtig wie das Sortiment. Und eines Tages war es so weit: die Räume wurden belebt. Der Tölzer Käsladen stieß dazu. Man stellte Tische und Stühle auf, backte Kuchen, bot Kaffee an – und die Genussmeisterei war geboren. Vom ersten Moment an war es ein warmer Markt mit einem sehr eigenen Charakter und viel Gefühl: Man pflegt dort einen familiären Ton und hat viel Spaß miteinander, manchmal auch abends nach Feierabend. Die Anwohner laufen dann draußen vorbei, schauen in die freundlichen Räume und fragen sich, welche Veränderung wohl gerade wieder besprochen wird. Ein neues Produkt? Ein neuer Meister? Experimente und Veränderung gehören zum Plan. Erst jüngst zog ein wunderbarer „Taste Market“ ein. Und für die wärmere Jahreszeit wird die „Eiszauberei“ angekündigt.

Vitamine & Co

Marco Stohr bietet seit vielen Jahren Produkte rund um Obst und Gemüse an – als Wochenmarktler, wie er sagt. Er selbst stammt vom Bodensee, wo seine Familie den Obsthof Bucher betreibt. Dort wachsen diverse Apfelsorten und Erdbeeren, auch Kirschen und Zwetschgen kommen aus der für ihr gutes Obst bekannten Region. Sobald die Früchte reif geerntet wurden, kommen sie ohne Umweg über den Handel auf einige ausgewählte bayerischen Märkte, darunter den Viktualienmarkt – und eben auch die Genussmeisterei. Als Direktvermarkter kann Marco Stohr nicht nur die größtmögliche Frische seiner Ware garantieren, sondern auch einiges über ihr Anbaugebiet, die jahresbesonderen Wachstumsbedingungen und die vielfältigen Geschmacksnoten verraten. Immerhin 80 Prozent seines Angebots stammt direkt von Bauern aus der Region. Das gilt auch für weitere Produkte wie Brände, Säfte, Essigsorten, Marmeladen, Honig, Nüsse und Trockenfrüchte. Zitrusfrüchte kommen natürlich nicht vom Bodensee. Sie stammen aus Familienbetrieben in Italien, mit denen schon lange Geschäftsbeziehungen bestehen und für deren Geschmack und Qualität garantiert wird. Die restlichen 20 Prozent werden in der Großmarkthalle zugekauft, zum Beispiel Südfrüchte. Dass Kunden bei einem Besuch in der Genussmeisterei dieses und jenes vor dem Kauf probieren dürfen, gehört zu den Selbstverständlichkeiten des Teams vor Ort, dessen bekanntestes Gesicht der stets gut gelaunte Florian Oberberger ist.

 

Was für ein Käse! 

Der Tölzer Kasladen ist eine Institution – und ebenfalls durch die Präsenz auf dem Viktualienmarkt bekannt. Dort kaufen Sterneköche ein, und sie wissen, warum. In der Elvirastraße, dem übrigens einzigen weiteren  Standort in München, wird der Tölzer Kasladen prominent von Adrian Hofmann vertreten. Er ist ein Enkel der Unternehmensgründer und Sohn von Susanne und Wolfgang Hofmann, den verantwortlichen Affineuren im Reifekeller. Käsekenner mögen nun „oha“ sagen und schon tief beeindruckt sein. Weil aber nicht jeder ein solcher sein kann, erzählen wir die Geschichte etwas ausführlicher:

Adrian Hofmann oder auch Dominik Poppe, ein Kollege seit dem ersten Tag, wissen, dass die große Auswahl in der Käsetheke der Genussmeisterei den einen oder anderen Kunden orientierungslos macht – und beraten entsprechend intensiv. Wir wollten zum Beispiel wissen, was es bedeute, dass einer der Käse mit den Worten „etwas süßlich“ beschrieben wird. Adrian dachte nach, hatte eine Idee und rief doch kurzerhand Mutter Susanne an. „Die Milch wurde so lange gekocht, bis der Milchzucker ein wenig karamellisierte“, berichtet er zwei Minuten später. So verlaufen Gespräche, wenn man mit einem „Fromelier“ und einer „Fromelière“ spricht, und das ist schon etwas ganz Besonderes. Zudem sind beide  Ritter der „Confrérie des Chevaliers du Taste Fromage de France“, der größten Käsebruderschaft der Welt. 

Wie ein Affineur eigentlich arbeite, auch diese Frage wird immer wieder gestellt. Affinieren ist das Veredeln des Grundprodukts Käse durch Reifung. Ein junger Käse hat noch kaum eigenes Aroma. Dieses entsteht erst mit der Zeit und bei entsprechender Unterstützung.

Der Tölzer Kasladen besitzt, anders als viele annehmen, keine eigenen Kühe. Er rührt auch keine Milch. Vielmehr kauft er handwerklich hergestellten Käse von höchster Qualität. Die Laibe sind noch jung und stammen aus sorgsam ausgewählten Hof- und Dorfkäsereien, Alpbetrieben und Klöstern. Familie Hofmann weiß, auf welchen Wiesen die Milchkühe im Sommer gegrast haben und welchen Ausblick sie dabei genießen durften. Und sie weiß, dass  die Milch vor Ort rein handwerklich in Käse verwandelt wurde. Mit vielen ihrer Geschäftspartner arbeitet sie schon seit seiner Gründung im Jahr 1972 zusammen, oft auch exklusiv.

Die Laibe kommen in eigene Reiferäume. Dort werden sie richtig temperiert und regelmäßig gelüftet. Je nachdem, um welche Sorte es sich handelt, wird der Käse gewaschen, mit Kräutern versehen mit oder Schimmelkulturen einbalsamiert. Alle Leibe reifen so lange, bis der beste Geschmackspunkt erreicht ist. Alle 200 Sorten aus zehn europäischen Ländern sind sie frei von chemischen Zusätzen oder gar gentechnischen Veränderungen. Jeder Käse ist ein Meisterwerk, das nur in kleiner Auflage hergestellt wird. Entsprechend ist er nur auf wenigen Märkten – und keinesfalls im Supermarkt – zu finden.

Weil man ist, was man isst …

Die Milch von der Kuh auf der italienischen Alm, die Zwetschge vom Baum am Bodensee und die Walnuss aus dem Perigord treffen sich also in der Elvirastraße. Daraus lassen sich natürlich auch köstliche Speisen zubereiten …

Nataša Schulte zur Hausen und Nikola Post erkannten das. Die beiden Frauen haben zunächst studiert und einige Kinder großgezogen. Slowenien, Seattle, Singapur: Währenddessen kamen sie weit in der Welt herum, und als sie sich vor gar nicht langer Zeit in München – bei einem Essen – kennenlernten, stellten sie fest, dass sie einen sehr bodenständigen Wunsch verspüren: gesundes, leichtes Essen anzubieten, das die, die es kosten, süchtig nach weiteren Geschmackserlebnissen macht. Die Idee für den Taste Market war geboren. Im November 2017 zogen die beiden in die Genussmeisterei ein und begannen, dort die Kochlöffel zu schwingen. Kunden können nun von Montag bis Freitag eines von vier bis sechs Angeboten auswählen – oder gleich eine Kombination von drei Gerichten zum Probieren bestellen.

Linsen mit Pancetta, Petersilie und Balsamico-Vinaigrette. Couscous Bowl mit geröstetem Hokkaido, Avocado und Pinienkernen. Grünkern mit karamellisierten Feigen, Feta und Minze. Einkorn Thai Style. So klingen die auf einer Schiefertafel täglich neu angekündigten Namen ebenso ansehnlicher wie höchst schmackhafter Gerichte. Verwendet werden je nach Tageslaune Tahin und Wasabi, Pistazien und Granatapfelkerne, Blütengemüse, und Zitronengras. Fisch und Fleisch können für einen kleinen Aufpreis oft zusätzlich bestellt werden, sei es Lachs, Roastbeef oder Hühnerfilet. Oder anders: Bei den getrüffelten Beluga-Linsen war die  gebratene Wurst gleich inbegriffen.

Wie sich das auf eine Formel bringen lässt? Vielleicht am ehesten mit einer Formulierung,  die wir auf der Homepage der beiden Geschmackskünstlerinnen gefunden haben: „Wir wünschen uns schon lange die besten Zutaten und Geschmäcker der Welt, aller Orte an denen wir gelebt haben zusammen zu tragen. Sehnsuchtsorte und Gerüche aus der Vergangenheit und Gegenwart. Egal wo unsere Wege uns hinführten und führen, das Erste was wir immer in einer Stadt aufsuchen sind die Märkte und die Restaurants sowie Delis. Nirgendwo trifft man auf den Kern der Menschen und bekommt einen solch tiefen Einblick in die Kultur, wie auf einem Markt oder beim Essen. Farben, Gerüche und Vielfalt inspirieren uns seit jeher.“

Nataša Schulte zur Hausen stammt aus einem Elternhaus, in dem die Mutter täglich frisches Essen zubereitete – im Schnitt vier Stunden lang.  Auch Nicola Post hat ähnliche Erfahrungen gemacht. Beide Frauen sind sich einig: „In unseren Familien traf man sich bei Tisch, bei Essen aus hochwertigen Zutaten geleitet durch den natürlichen Lauf des Jahres. Wir wurden verwöhnt, man könnte fast sagen verdorben.“ Während sich Nataša Schulte zur Hausen das Kochen später autodidaktisch erforschte, unterzog sich Nicola Post nach dem Studium einer professionellen Kochausbildung in San Diego, Patisserie inbegriffen. Heute ist sie froh, auf dieser Grundlage völlig frei neue Gerichte komponieren zu können, tagein, tagaus immer wieder neu.

Die beiden Frauen verstehen sich blind. Das spüren die Kunden, das Essen schmeckt perfekt. Wir fragen nach, ob sie etwas außer der eigenen Vergangenheit und Lust am Essen antreibt. „Die Menschen kaufen bestes Benzin fürs Auto, nur damit die Maschine nicht kaputtgeht. Und wie gehen sie mit dem eigenen Körper um?“ antwortet Nataša Schulte zur Hausen wie aus der Pistole geschossen und man sieht ein gesellschaftliches Engagement in ihr aufsteigen. „Ich habe nichts gegen eine Leberkässemmel, aber als Mittagessen trägt sie nicht durch den Tag. Schlechtes Essen macht träge und unzufrieden. Wir setzen bewusst etwas dagegen und bieten „Brain Food“ an: Essen, das auch dem Kopf noch gut tut. Wer das isst, kann selbst am Nachmittag noch sehr gut arbeiten.“ Gleich darauf erzählt sie, dass 70 Prozent der Familien keinen Esstisch mehr haben – weil sie ihn eh nicht brauchen. Jeder mampft irgendwann so vor sich hin, sei es vor dem Fernseher, an der Spielekonsole oder einfach im Stehen zwischendurch. Gemeinsam zu essen war einmal die Basis der Gesprächskultur!

Zum Schluss unseres Gesprächs wollen wir noch wissen, ob und wie sie ihr Angebot planen. Die Antwort ist typisch und ungewöhnlich: „Wir schauen einfach nach draußen, wie das Wetter ist. Wir fragen uns selbst, worauf wir heute Lust hätten. Und dann erst kaufen wir ein.

Sweet Dreams

Zum Abschied im Taste Market naschen wir noch vom aktuellen Dessert: eine feine Mischung aus Nüssen, dunkler Schokolade, Trockenfrüchten und saftig-grünen Pistazien. Eine Geschmacksexplosion. Das wollen wir morgen gerne wieder haben …

Wenn demnächst die Temperaturen steigen, kündigt sich in der Genussmeisterei eine weitere kleine Sensation an: die Doris Bolles Eiszauberei. Der Laden besteht aus einer mobilen Manufaktur, mit der Eis nach individuellen Wünschen gleich vor den Augen der Käufer live zubereitet wird. Zuerst entscheiden sie sich für das Grundrezept ihres Eises, das immer in Bio-Qualität angeboten wird: Milch-Eis in den Varianten neutral und Joghurt, Bio-Reismilch-Eis entweder neutral oder Schoko. Dann wählen sie die Zutaten aus: Früchte, Schokolade, Gewürze, Nüsse, Kräuter oder auch: Ingwer, Fenchel, Lakritz, Senf, Pfeffer, Tabasco, Möhren … Frau Bolle wird dann den Zauberwirbel anwerfen – und kurz darauf eine Waffel mit dem außergewöhnlichsten Eis dieser Welt überreichen.

www.genussmeisterei-neuhausen.de
www.obsthof-bucher.de
www.toelzer-kasladen.de
tastemarket.de

© Deed Communication Agency