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Seit sechs Jahren hat Neuhausen eine eigene Brauerei: das Richelbräu ¬in der Richelstraße 26. Das steht für Leidenschaft beim Brauen, Liebe zum Bier und lustvolles Leben. Dass auch das Deutsche Reinheitsgebot für diese Bierfreunde kein Tabu mehr ist: eine Freude für jeden, der denken kann! Denn in der modernen Welt geht es nicht mehr wie anno 1516 darum, den Einsatz von Pottasche zu verbieten, mit der Schlitzohren einst den Durst förderten, oder Mohn und Galle den Garaus zu machen, weil diese Substanzen den Rausch im Übermaß steigern. 2014 lautet die erste Frage deshalb nicht mehr: Welche Zutaten machen ein reines Bier aus?, sondern eher so: Sind eigentlich die (erlaubten) Zutaten rein?
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Wiesnzeit ist’s, und die Menschen strömen dorthin, wo das Bier nun fließt. Aber München ist schon seit Jahren nicht mehr die brauereireiche Bierstadt, die es einmal war, erklärt uns Günther Baumann, der Geschäftsführer des Richelbräu: „Als die Süddeutsche Zeitung vor einem Jahr eine Serie über Brauereien plante, haben wir als ganz kleines Unternehmen Platz 8 eingenommen. Platz 8 – von 9 Brauereien!“ Das ist nicht viel für eine Stadt, in der das weltbekannte Hofbräuhaus steht und in der das größte Bierfest der Welt stattfindet! Früher gab es zahlreiche Brauereien, das hatte Tradition. Aber heute sind die Mieten zu hoch, um Brauereien anzusiedeln oder zu halten. Die Auflagen der Stadt sind anspruchsvoll. Und die Konzentration der Konzerne schreitet voran. Spaten, Löwenbräu und Franziskaner: Das ist eine einzige Brauerei mit Namen Anheuser-Busch InBev, die weltweit größte Brauereigruppe mit Deutschlandsitz in Bremen. Hacker, Paulaner und Pschorr: letzten Endes von Heineken betreut. In Wikipedia wird das übrigens so formuliert: „In den 1990er-Jahren war Heineken dann gezwungen, sich so schwierigen Märkten wie Deutschland mit seinem zersplitterten, regional geprägten Biermarkt zu widmen.“ Zersplittert und regional. Für wen war das denn ein Problem? Belebt Wettbewerb nicht das Geschäft? Als große Münchner Brauereien blieben nur der Augustiner-Bräu, 1328 gegründet, und das Hofbräu München, 1589 gegründet, erhalten. Auf den Rängen fünf bis neun liegen dann Giesinger Bräu, Forschungsbrauerei, Crew Republic im Glockenbachviertel – und eben unsere Neuhauser Brauerei, die noch immer auf ihre Schanklizenz hinarbeitet. Platz 9 besetzt der 2013 gegründete Handkatzn-Bräu in der Renatastraße, ein Einmannbetrieb mit am heimischen Herd gebrautem Bier und 200 Liter Ausstoß im Jahr.

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Immerhin: Richelbräu wächst und gedeiht, braut Jahr für Jahr mehr Bier und weit über 20 Sorten, darunter Altfränkisches Dunkles, Rauchbier, India Pale Ale, Guinness, Märzen, Weißbier, Starkbier, Weihnachtsbock und Doppelbock. Hergestellt werden die Gerstensäfte von rund 15 Personen, zumeist Hobbybrauern, die viel Wissen und Können einbringen und sich ständig weiterentwickeln. Dabei nutzen sie die Infrastruktur in der Richelstraße. Die Hälfte des Bieres bleibt im Haus, die andere Hälfte dürfen die Erzeuger mit nach Hause nehmen. Immer mehr Hobbybrauer werden aktiv, freut sich Baumann, die Szene wachse auch deutschlandweit deutlich an. Man sei das Einheitsbier leid und stemme sich durch Eigenproduktion dagegen. Die Bierliebhaber des Richelbräu gehen dabei gern auch mal neue Wege, zum Beispiel mit einem Honigbier. „Eigentlich dürften wir dieses Wort gar nicht in den Mund nehmen“, erklärt uns Baumann sofort, „denn Honig hat nach dem 500 Jahre alten Reinheitsgebot nichts im Bier verloren. Aber dieses neue Casanova-Bier (Für Nichtlateiner: Der Stadtviertelname Neuhausen war Namenspatron) wird dann eben eine Ausnahme sein. Wir stellen uns übrigens ein Bier mit leichtem Honiggeschmack im Abgang vor, nicht etwa eine süße Pampe. Es wird ein sehr reines Bier sein, denn der Honig stammt von unseren eigenen Bienen.“ Drei Völker leben im Garten des Richelbräu. Sie werden von den Stadtimkern fachgerecht betreut.

Was darf rein ins reine Bier? Honig gilt als unrein. Aber mag man stark gespritzten Hopfen rein nennen? Längst wird auch Aromahopfen gezüchtet, der zitronig schmeckt oder bananig, um außer der Zielgruppe der Männer auch Frauen und Jugendliche zu begeistern. Auch das ist noch Hopfen, also rein. Oder doch nicht? Es ist kein Zufall, dass die Bioläden ein immer breiteres Sortiment an regionalen Bieren anbieten: Normal denkende Menschen wollen einfach sicher sein, dass ihr Bier mit sauberem Wasser, gentechnisch unveränderten Produkten und herbizid- und pestizidfreiem Getreide gebraut worden ist. Die Nachfrage dafür ist groß, das Bier schmeckt gut. Und unser Leben wird wieder etwas bunter. Ja, wir probieren auch schon mal ein afrikanisches Bier auf Hirse-Basis, wie es das Richelbräu herstellt! Warum denn nicht, wenn die Zutaten gut sind? Auch Emmer-Bier und Dinkel-Weiße verkörpern die alte Bier-Idee vielleicht besser als so manches Hip-Produkt der entseelten industriellen Produktion. Brauer wie Baumann wissen ganz genau, wie viel die richtige Hefe und der richtige Zeitpunkt für den Geschmack eines wunderbaren Bieres ausmachen. Den zu finden ist allerdings nie leicht, weil gute Zutaten komplex sind. Hopfen und Malz: Alles hat eine Biographie, und die muss man erst einmal lesen können. Im Richelbräu werden beim Brauen Protokolle geschrieben, damit man dann, wenn ein Bier außergewöhnlich gelungen ist, nachvollziehen kann, was den Geschmack beeinflusst haben könnte. Ob es beim nächsten Mal wieder ganz genauso schmeckt? Sicher nicht. Sicher ist nur eins: Es wird gut.

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