Weil er Pflanzen der Gattung Genlisea (Reusenfallen) so gründlich untersuchte, dass diese sich zu neuen Modellorganismen für Genomstudien mausern können, erhielt Dr. Andreas Fleischmanin den mit 2.500 Euro dotierten, diesjährigen Strasburger-Preis der Deutschen Botanischen Gesellschaft.
Die fleischfressenden Pflanzen der Gattung Genlisea eignen sich besonders dafür, zu erforschen, wie und warum es einige Organismen schaffen, ihren gesamten Bauplan und ihre gesamte Erbinformation auf sehr wenig „Speicherplatz“ unterzubringen, während andere − oft sogar nahe verwandte Arten − dafür ein Vielfaches mehr benötigen. Diese Frage beschäftigt Evolutionsbiologen schon lange. Im Zuge seiner Untersuchungen entdeckte Dr. Andreas Fleischmann auch den Rekord für das kleinste bekannte Genom aller Blütenpflanzen: die „knollige Reusenpflanze“ Genlisea tuberosa. Fleischmann, der inzwischen an der Botanischen Staatssammlung in München forscht, legte die dafür notwendige Grundlage, indem er nicht nur eine umfassende Monographie zu den Reusenpflanzen verfasste, sondern auch erste stammesgeschichtliche Ergebnisse für die Beantwortung der Frage zur Genom-Reduktion bot.
Während seiner Dissertation untersuchte Fleischmann die bis dato kaum erforschten Reusenpflanzen, die vor allem im tropischen Afrika und in Südamerika wachsen und von den heißen, nährstoffarmen Feuchtsavannen des Tieflandes bis zu den isolierten Tafelbergen Venezuelas vorkommen. Sie fangen und verdauen mit ihren zu Reusen umgestalteten, unterirdischen Blättern Kleinstlebewesen wie Fadenwürmer, Kleinkrebse, Milben oder winzige Insekten. Mit nach innen gerichteten Haaren versperren sie in ihre schlauchförmigen Wurzelblätter hineingekrochenen Tieren den Rückweg, sodass diese immer tiefer in die Pflanze gelangen und schließlich in einer mit Drüsen versehenen Kammer landen, wo sie verdaut werden. Die Reusenpflanzen nutzen die daraus gewonnenen Nährstoffe zur Nahrungsergänzung. Dass es sich bei den Reusen tatsächlich um echte Blätter und keine umgestalteten Wurzeln handelt, hatten Morphologen bereits vor mehr als 100 Jahren belegt: Sie fanden Spaltöffnungen, die nur in Blättern, nicht aber in Wurzeln vorkommen und dem Gasaustausch dienen. Genlisea-Arten sind dagegen völlig wurzellos. Auch in anderer Hinsicht scheinen Reusenpflanzen einzigartig zu sein, denn genetische Stammbaumanalysen von Fleischmann zeigten, dass sie die wohl einzige Pflanzengruppe sind, die aus Südamerika kommend auch Afrika besiedelte und bei der eine Entwicklungslinie von Arten anschließend ein zweites Mal den Weg über den Atlantik machte und sich erfolgreich im tropischen Amerika wieder ansiedelte.
Zwar sind diese fleischfressenden Pflanzen schon seit mehr als 200 Jahren bekannt, Fleischmann hat aber als Erster deren Verwandtschaftsbeziehungen mittels phylogenetischer, auf DNA-Sequenzen basierender Stammbaumrekonstruktion analysiert. Er publizierte die Ergebnisse in einer umfassenden Monographie, die auch die Ökologie und Biologie der Arten umfasst und diese mit zahlreichen Detailaufnahmen illustriert. Während dieser Arbeit entdeckte und beschrieb er mit brasilianischen Kollegen fünf neue Arten: Neben der erwähnten Rekordhalterin Genlisea tuberosa die Arten G. metallica, deren Blüten metallisch glänzen, G. exhibitionista, deren Staubblätter und der Griffel unbedeckt sind, G. flexuosa, mit einem biegsamen Blütenstiel, sowie, G. oligophylla, die nur wenige Blätter hat.
Alle Reusenpflanzen, wie diese Genlisea flexuosa, haben zwei verschiedene Arten von Blättern: „normale“ grüne Laubblätter für die Photosynthese sowie unterirdische, bleiche, spiralig gedrehte Fallenblätter. Diese „Wurzelblätter“ sind Wurzel und Fangapparat in einem: Sie verankern die Pflanze im Boden und fangen mit ihren Reusen kleine Lebewesen.