Im Januar wurde das Backstage, Kultur- und Veranstaltungszentrum am Rande Neuhausens, 20 Jahre alt. Das entlang der Bahngleise wandernde, von niemandem subventionierte Unternehmen ist eine der großen Adressen der Stadt für junge und jung gebliebene Musik- und Partyfans. Wie ein Magnet zieht es Besucher an – weit über die Grenzen der Stadt hinaus. Über 40 Konzerte finden im März statt, sogar für November stehen heute schon sehr viele Auftritte auf dem Programm. Selbst schuld, wer sich von dieser kulturellen Energie nicht anstecken lässt!
Faszination Backstage: ein ewig unfertiges und auf den nächsten Umzug wartendes Unternehmen. 80 Menschen arbeiten dort, inklusive Auszubildenden und Barkeepern. Derzeit gibt drei Bühnen – Werk, Club und Halle –, viele Bars, einen Nachtbiergarten, überall improvisierten Charme und Menschen, die gerade den nächsten Auftritt vorbereiten. Ein wildes Gelände mit vielen Pflanzen, irgendwie in der Pampa gelegen, egal wie die Postanschrift gerade lautet.
Auch wenn es Tage gibt, an denen wüst gestylte Punker in Scharen aus Neuhausen und München, aus Passau und Regensburg, Innsbruck und dem Salzburger Land über die nahe-
gelegene S-Bahn-station Hirschgarten oder mit eigenen Verkehrsmitteln einfallen: Das Backstage ist kein alternativer Punkerschuppen. An anderen Tagen kommen nämlich ganz andere Szenen: Reggae aus der Karibik, nordamerikanische
Rap, Metal, Funk, Ethno, In-
die … Es gibt keine Schublade für das Backstage – und genau das macht es aus. Soeben lief dort die Drei ???-Party mit Lesung – eine „Lauscher-Lounge“. Mitte Juni wird das Musical „Der kleine Horrorladen“ aufgeführt, im Oktober findet eine Japanmesse statt …
Etwa eine Millionen Bands sind unterwegs und suchen ihr Publikum. Über Platten und Internet lässt sich heute kaum Geld verdienen, man muss auf Tournee gehen, um ein paar Groschen zu verdienen. Eine große Stärke des Backstage liegt im Engagement für Newcomer-Bands. Nachwuchskünstler werden gefördert, zum Beispiel über die samstäglichen Freakout-Partys, an denen Youngster nach erfolgreicher Bewerbung kostenfrei auftreten können. Im Sommer findet das Free & Easy Festival statt, das ebenfalls unbekannte und lokale Gruppen fördert. Dort spielt man vor großem Publikum, denn der Eintritt ist frei. Die Fantastischen Vier haben im Backstage gespielt, die Sportfreunde Stiller und die Banana- fishbones auch. Heute treten solche Gruppen eher in der Olympiahalle auf – was nicht an der technischen Ausstattung des Backstage liegt, die höchs-ten Ansprüchen genügen dürfte. Etablierte Künstler ziehen einfach weiter, wenn sich mehr als 1.200 Karten verkaufen lassen. So ist das eben.
Es geht um die Vielfalt, und es geht um die Musik. Toleranz und Offenheit sind oberstes Gebot im Backstage, müssen im Einzelfall aber immer wieder aufs Neue interpretiert werden. Junge Musiker dürfen sich ausprobieren. Vorauseilende Zensur lehnt man entschieden ab – genauso wie rassistische oder faschistische Inhalte. Manchmal erregen sich die Gemüter in den Debatten um Songs und Gruppen. Dann kühlen sie auch wieder ab.
Selbst beim Publikum geht es bunt zu. Mit Konzertpreisen zwischen 7,80 und 20 Euro – nur Veranstaltung mit vielen Bands kosten bis zu 35 Euro – und einem Bierpreis von 4,80 Euro die Maß sind die Türen für die meisten Menschen weit geöffnet. Auch das ist Programm. Keiner soll sich ausgeschlossen fühlen, jeder gehört, so er mag, zur Backstage-Familie.Während sich Punker und Hip-Hopper
auf dem Schulhof prügeln, trinken sie im Backstage gemeinsam ein Bierchen. So viel Underground muss sein.
Das Backstage veranstaltet nicht alle Konzerte selbst. Man arbeitet mit Agenturen zusammen, die passende Bühnen für ihre Künstler suchen. Zudem vermietet man Räume an Unternehmen: Wer seine Firmenparty mal zu einem besonderen Event machen möchte, könnte einfach anrufen und nach freien Terminen fragen. Eine coole Location– nicht nur für heiße Tage.
Der nächste Umzug auf einen nahen Standort – östlich des jetzigen Geländes – soll der letzte sein. Wenn alles läuft wie ge-plant, wird das Backstage neu erbaut. Den Charakter als besonders offenes, freundliches, lässiges Kultur- und Veranstaltungszentrum wird es deshalb bestimmt nicht verändern.
Dann würde es ja genau das verlieren, was es ausmacht – und nicht mehr so gut nach Neuhausen passen.