Eine kleine Straße in Neuhausen: die Birkerstraße. Ein kleines Lädchen in Hausnummer 7. Früher eine Metzgerei, heute eine Einmacherei. Eine was? Das muss umgehend erforscht werden! Ein Besuch bei Monika Schuster und Anka Köhler.

Schon beim Betreten des Ladens hüpfen unsere Herzen vor Freude. Aus der altmodischen Metzgerei ist ein schlichtes, in Weiß und Silber getauchtes Ladengeschäft geworden. Der Verkaufstresen ist ein alter Zerlegtisch, rechts stehen mit transparenten Türen verschlossene Schränke, die das farbenfrohe Sortiment des Hauses kühlen: bretonische Fischsuppe mit Kaisergranat zum Beispiel, Kalbsrahmgulasch mit Salbei, Rinderbacken mit Lorbeer, Piment und Holunder, scharfe Thai-Curry-Sauce, gebratener Naturtofu mit Erdnuss-Kokos-Sauce, Paprika und Frühlingslauch. Sogar Süßes ist dabei: Saftiger Kaffee-Schoko-Kuchen oder Panna cotta mit Zitronengras und Limette, beides selbstverständlich auch im Glas eingemacht. Jedes Gericht zeigt sich in verlockenden Farbtönen und mit ansprechender Konsistenz. Keine Mogelpackung, sondern höchste Transparenz. Links auf dem alten Hackstock, auf dem der Metzger einst das Fleisch zerteilte, laden ein paar Kochbücher zum Schmökern oder Kaufen ein. Keine Frage: Das ist ein Ort der Kommunikation und des guten Geschmacks – auch für die Augen.

Am Herd der Einmacherei stehen nicht etwa Hausfrauen, die einem Hobby nachgehen, sondern gestandene Profis, die seit 30 Jahren den Kochlöffel schwingen. Monika Schuster hat nach ihrer Kochlehre ein Jahr lang rein vegetarisch gekocht, bevor sie ihre Kochkunst in Nizza und Florenz vertiefte. In München leitete sie die Ladengastronomie im Dallmayr und absolvierte später die Küchenmeisterprüfung mit Auszeichnung. Viele Jahre lang arbeitete sie mit großen Köchen zusammen, darunter Eckart Witzigmann. „Ich habe mein handwerkliches Geschick geschliffen“, sagt Monika Schuster „und den Umgang mit Produkten verfeinert.“ Seit einigen Jahren ist sie auch Foodstylistin und Kochbuchautorin.

Anka Köhler, die Saucenkönigin im Haus, und Monika Schuster kennen sich, seit sie fünfzehn Jahre alt sind. Auch sie hat die Küchenmeister-Ausbildung erfolgreich absolviert, dazu eine Konditorenlehre. Sie hat in der Schweiz gekocht, bei Alfons Schubeck in Waging am See und in der Krone in Assmannshausen. Sterneküche also. Anka Köhler kann sogar wursten und sie entdeckt bei allem immer wieder neue Geschmacksvarianten. Sie findet sogar stets den perfekten Farbton des Essens – wohlgemerkt ohne Farb- und Zusatzstoffe, sondern allein mit Hilfe tiefer Produktkenntnis und langjähriger Gar-Erfahrung. Niemals würde sie Brokkoli einmachen, weil dieses Gemüse sein Grün verliert. Und auch Basilikum kommt nicht ins Glas, denn dieses empfindsame Kraut schmeckt nur unverarbeitet. Eingemacht wird eben nur, was dafür wirklich taugt: Suppen, Saucen, Schmorgerichte.
Als die beiden Frauen die Idee einer Einmacherei entwickelten, haben sie erst einmal alles, was an gehobenen Fertiggerichten auf dem Markt ist, selbst probiert. Nichts davon konnte sie überzeugen. Ihre Marktlücke war da. Ab sofort würden sie elegante Restaurantküche ins Glas bringen. Also frische und beste Ware einkaufen und alles schnell und fachgerecht verarbeiten. Keine vorgeschnittenen Zwiebeln, keine tiefgekühlten Karottenwürfel – und seien sie noch so bio. Natürlich steht in der Birkerstraße eine Profi-Kochausstattung, in der Mengen verarbeitet werden, die der Privathaushalt nicht beherrscht. Wer selbst kocht, weiß, dass jedes Kilo mehr erheblich zum Geschmack beiträgt! Andererseits wird nur so viel verarbeitet, dass die Produktion zu hundert Prozent handwerklich bleibt. Selbstverständlich ist jede Charge individuell abgeschmeckt.

Monika Schuster und Anka Köhler haben mit der Einmacherei ihr persönliches Erfolgsrezept gefunden. Seit dem Start im Dezember 2012 konnten sie die unterschiedlichsten Kunden für sich gewinnen, quer durch alle Altersgruppen. „Der Geschmack ist alles. Weil der stimmt, kommen alle gerne wieder“, sagt Monika Schuster mit Stolz. Warum sie kein Restaurant aufmachen, werden sie oft gefragt. „Weil das etwas anderes ist“, antworten sie dann. Ältere Menschen wollen vielleicht einfach saftige Rinderrouladen mit Speck essen, aber nicht allein am Tisch sitzen. Jüngere leisten sich beispielsweise eine Kohlrabisuppe mit Shiitakepilzen, haben aber nicht das Geld für die im Restaurant häufig teuren Getränke. Der eine nimmt sich Gläser mit ins Büro und wärmt sie dort auf. Der andere steckt sie kurzerhand ins Reisegepäck, um auch unterwegs nicht darben zu müssen.

Die Einmacherei hat freitags und samstags zwischen 8.30 und 19 Uhr geöffnet. Von Montag bis Donnerstag wird gekocht.


Warum die alte Tradition heute wieder eine Berechtigung hat

Essen einmachen oder Gemüse einwecken: Das sind traditionelle Konservierungsverfahren, die heute eigentlich aus der Mode gekommen sind. Früher, als es noch keine Tiefkühltruhen gab und in den Geschäften zumeist nur Waren feilgeboten wurden, die die Bauern in der Region vor kurzem von den Feldern geholt hatten, wurde nahezu in jeder Familie „eingeweckt“, vor allem dann, wenn man einen eigenen Garten hatte. Die Menschen legten Vorräte an – was für den Winter und vor allem die Kriegszeiten durchaus vernünftig war –, wirtschafteten sparsam und konnten sicher sein, stets nur die Ware auf den Tisch zu bringen, die sie selbst ins Glas hineingegeben hatten. So wurden die Gurken sauer, der Kürbis zuweilen sehr weich und die Marmelade, wenn Oma es nicht anders gelernt hatte, ziemlich süß und manchmal braun.

In den frühen siebziger Jahren brach eine neue Zeit an. Sie brachte Supermärkte mit ganzjährig gleichem Angebot, Tiefkühlkost und Tiefkühltruhen, eine Vielfalt industriell erzeugter Fertiggerichte und schließlich die Mikrowelle. Die klassische Hausfrau zog sich ein Business-Kostüm an und der Hausmann, der nun hätte einspringen sollen, machte sich rar. Kochen? Vielleicht am Wochenende. Einwecken? Hm. Der schon zerkleinerte Salat-Mix aus dem Supermarkt präsentierte sich als gesunde Alternative, schlanke Figur und lange Jugend inbegriffen. Die Zahl der Imbiss-Stätten stieg ins schier Unendliche an.

Dass gerade unter diesen Umständen zwei Frauen auf die Idee kommen, eine Einmacherei zu betreiben, ist eigentlich eine logische Weiterentwicklung der gleichen Geschichte: Menschen, die keine Zeit mehr zum Kochen haben, müssen trotzdem etwas essen. Wie die Menschen, die allein leben und deshalb nicht kochen mögen, können sie sich nicht nur von Salat und Fastfood ernähren – zumindest wenn sie achtsam mit sich umgehen. Auch Personen, die gar nicht kochen können, tut ein regelmäßiger Gaumenkitzel gut. So vergessen sie wenigstens nicht, wie gut Essen schmecken kann, wenn Leidenschaft eine der Zutaten ist.