Local LIFE Redaktion: Anneke Våge, Cornelia Sauer, Ivar M.M. Våge

LocalLIFE: Ihr drei seid das Gründungsteam von LocalLIFE. Wie seid ihr auf die Idee gekommen, ein lokales Magazin zu machen?

Ivar Våge: Obwohl die Globalisierung voranschreitet, sehen immer mehr Menschen die Entwicklung kritisch. Es kann ja nicht sein, dass die ganze Welt als Spielball einiger weniger Big Player gesehen wird und wir Menschen vor Ort keinen Einfluss mehr haben. Der Zentralismus zerstört Traditionen und schaltet Menschen gleich. Zum Glück hat sich der Wind in diesem Jahrtausend gedreht, als Themen sind Nachhaltigkeit und Regionalisierung wichtig geworden. Leben findet immer lokal statt. Was lag da näher, als genau das zum Thema zu machen? Die Krise der großen Magazine hatte mir klargemacht, dass wir auch bei den Printmedien vor einem Wandel stehen. Small is beautiful. Das haben inzwischen auch andere erkannt. Die Süddeutsche Zeitung beispielsweise hat ihren Lokalteil deutlich erweitert.

LocalLIFE: Warum gerade Neuhausen, Nymphenburg und Gern?

Anneke Våge: Weil es eben „unser“ Viertel ist. Wir haben viele Jahre in Gern gelebt, unsere Kinder sind dort groß geworden, wir haben Freunde gefunden. Es ist ein eigenständiger und besonderer Stadtteil in München und wir lieben ihn sehr.

Cornelia Sauer: Ich wohne seit 20 Jahren im Vinzenzviertel und möchte nirgendwo anders in München zu Hause sein. Die Mischung der Menschen ist toll Es ist ein buntes Viertel. Durch unsere Tochter habe ich Orte und Menschen kennengelernt, die ich sehr schätze. Seit wir LocalLIFE machen, kommen dazu noch die wunderbaren Kontakte zu den Personen, die ihre Türen öffnen und über die wir berichten dürfen. Wohnen und Arbeiten verbinden sich auf angenehme Weise.

LocalLIFE: Wir werden oft gefragt, wie ihr die Themen auswählt. Habt ihr drei einen Plan?

Ivar Våge: Ja, aber nur im Kopf, nicht auf Papier. Wir greifen Themen auf, von denen wir annehmen, dass sie von öffentlichem Interesse sind. Wir stellen beispielsweise Persönlichkeiten vor, die sich sozial engagieren oder einen Laden betreiben, der uns gefällt: Weil er gute Produkte verkauft. Weil er ausbildet. Weil er Werte vertritt, die wir teilen und die wir gern sichtbar machen wollen.

LocalLIFE: Wir sind schon gefragt worden, ob das nicht einfach Werbung ist …
Anneke Våge: Niemand kann sich einen Artikel kaufen. Wir sind eine unabhängige Redaktion. Zwar finanzieren wir uns über den Verkauf von Anzeigen. Hinter uns steht weder eine Partei noch ein Interessenverband noch ein anonymer Geldgeber. Wer eine Anzeige bezahlt, bestimmt nicht die Richtung von LocalLIFE. Das tun wir selbst und frei. Dabei verlassen wir uns allein auf unser Gespür für Themen.

Cornelia Sauer: Man könnte sagen: Wir sehen uns als Nachbarn, die vernünftig und frei mit offenen Augen durch die Straßen gehen. Wir mischen uns ein, wenn Entwicklungen breit diskutiert werden. Wir beziehen Standpunkte, wenn Kleingeisterei um sich greift. Vor allem aber loben wir gern. Für manche ist das vielleicht verdächtig. Um ehrlich zu sein: Wir können Meckerei nicht ausstehen. Wir fragen eher weiter: Was gefällt dir nicht? Warum? Und was kannst du tun? Was willst du tun? Was wirst du tun? Die Welt ist voller Griesgrame. Die Helden in unseren Geschichten sind aber nicht passiv und frustriert. Sie handeln – so, dass etwas Gutes entsteht.

Ivar Våge: LocalLIFE kommt bei den Lesern sehr gut an. Wir erfahren, dass unsere Themen als neu, interessant und positiv wahrgenommen werden. Wir investieren Zeit in dieses Projekt, unsere Gespräche dauern auch schon einmal mehrere Stunden lang. So kommen wir ein wenig tiefer in die Themen hinein und erfahren Dinge, die früher jeder Nachbar wissen konnte. Heute funktioniert das nicht mehr. Wo wird heute noch miteinander gesprochen? Wo wird intensiv zugehört?

Cornelia Sauer: Das Wort Heimat taucht in letzter Zeit immer häufiger auf. Menschen sehnen sich nach diesem Gefühl. Natürlich können wir keine Heimat bieten. Aber wir können den Ort beschreiben, an dem die Menschen leben, und Gründe dafür liefern, warum wir ihn tatsächlich als Heimat schätzen können. Man könnte auch sagen: Wir stärken die Marke des Stadtviertels Neuhausen, Nymphenburg und Gern, indem wir Seiten, die uns gefallen, offen aufschlagen.

LocalLIFE: Nennt mal Beispiele dafür …

Anneke Våge: Bei uns gibt es tolle Handwerker, wir haben ein ganzes Heft darüber gemacht. Bei uns gibt es Innovation und Hightech. Das zeigen beispielsweise Geschichten über Indigo-Ski oder das FabLab – hier im aktuellen Heft. Bei uns gibt es Verantwortung, wir schreiben darüber in Storys über das Waisenhaus oder das Ambulante Kinderhospiz. Wir stellen Musiker vor, die hier groß geworden sind oder noch hier leben: Peter Clemente, Louis Borda. Bei uns geht es auch immer wieder um schönes Design und das breite gastronomische Angebot. Anfangs dachten wir, die Themen würden uns irgendwann ausgehen. Erfreulicherweise fallen uns aber immer mehr Dinge auf. Und die Leser stupsen uns an.

Ivar Våge: Ich freue mich darüber, dass auch unsere Anzeigenkunden unsere Werte vertreten! Ich nenne nur drei, die von Anfang an dabei sind. Der Laimer Hof, das liebevoll geführte Hotel in Nymphenburg mit seiner Liebe für die Schlossumgebung. Willi Pfaff, der dem Viertel sehr verbundene Vollcorner-Chef. Oder Familie Strasser, die Besitzer eines außergewöhnlichen Reisebüros, bei dem die Reiseziele und Reiseerlebnisse noch im Mittelpunkt stehen. Alle drei sind im Viertel tief verwurzelt. Sie schätzen uns, weil wir anders sind als andere Zeitungen.

LocalLIFE: Inwiefern?
Anneke Våge: Wir produzieren viermal im Jahr 13.000 Hefte. Die meisten davon verteilen wir. Einige Stapel legen wir in Geschäften aus. Meistens sind die Hefte sehr schnell weg. Wer eins ergattert hat, freut sich darüber. Es wäre ja auch schrecklich, wenn wir stapelweise in den Mülleimern verschwinden würden.

LocalLIFE: Zurück zu euren Plänen. Werden wir auch in den nächsten fünf Jahren noch existieren?

Anneke Våge: Davon gehe ich aus. Es leben ja mehr als 50.000 Menschen in Neuhausen, Nymphenburg und Gern. Da ist noch manch eine spannende Geschichte drin.