Wer Nymphenburg sagt, sollte immer wieder Porzellan sagen, dachten wir uns und meldeten uns zu einem Besuch im Schlossrondell an, um herauszufinden, ob und in welcher Richtung das bevorstehende Weihnachtsfest Einfluss auf das Geschehen im stolzen, 265 Jahre alten Manufakturbetrieb nimmt. Und so können wir berichten vom echten, komplett handwerklichen Porzellanverarbeitungsprozesses, der nun auch in einem wunderschönen neuen Buch mit Fotografien von Frank Stolle beschrieben wurde, von winterlich-weihnachtlichen Porzellanklassikern im Verkauf und von aktuellen Innovationen wie dem Geschirr Lightscape und weißen oder schwarzen Porzellanweihnachtskugeln.

Drei Rohstoffe braucht es, um die Porzellanmasse anzurühren: Kaolin, Feldspat und Quarz. Dazu kommen andere Beigaben, deren Rezeptur ein bis heute bestens gehütetes Geheimnis ist. Die Porzellan Manufaktur Nymphenburg lässt eben keine fertige Masse anliefern, sondern nur die Rohstoffe, die sie mahlt, reinigt, mischt und mit Wasser anrührt. Zwei Jahre lagert die Porzellanmasse dann in einem „Maukkeller“, den wir uns als eine Art Weinkeller vorstellen dürfen, um sich zu entfalten. Wie Wein und Käse ist auch Porzellan ein Naturprodukt, und die Prozesse schreiten stetig, aber langsam voran. Kleinste Metallpartikel werden vorher mit Magneten herausgezogen und schließlich wird in der „Massemühle“ auch das kleinste Luftbläschen durch großen Druck entfernt. Die mechanischen Geräte der Porzellan Manufaktur werden übrigens alle direkt von der Wasserkraft des Schlosskanals angetrieben.

Wir dürfen zuschauen, wie ein Dreher auf seiner Scheibe einen Teller ins Leben bringt. 36 Jahre arbeitet Josef schon im Schlossrondell, und wir brauchen keine zehn Sekunden, um zu begreifen, was das bedeutet. Aus dem unförmigen Klumpen, dem „Hubel“, zaubert er eine filigrane Tellerform in nur wenigen Minuten. Erfahrung und Fingerspitzengefühl in höchster Perfektion. Die Teller werden eben nicht einfach gegossen, denn dann wäre es nicht möglich, ein feines Spiel der Porzellanstärken zuzulassen, wie es für Produkte der Porzellan Manufaktur Nymphenburg charakteristisch ist. Auf einer Gipsform erhält der Teller anschließend seine endgültige Gestalt.

Noch ein kleiner Stempeleindruck mit der Blindmarke des Unternehmens, dann die handgeritzte Initiale J. als Erkennungszeichen des Drehers. Zwei Tage wird der Teller etwa trocknen, bevor er als butterweiches Porzellan in den Ofen wandert, wo er dann im Glühbrand bei 950 °C Grad gehärtet wird. Wir dürfen eine hauchdünne Tasse vor dem Brand berühren und eine Ecke abbrechen. Unglaublich, wie zart das Material noch ist. Manch eine Schokolade dürfte härter sein!

In der „Bossierstube“ des Hauses werden alle Einzelteile eines Objektes mit „Schlicker“ zusammengesetzt: Das ist kein Kleber, sondern nichts als verflüssigte Porzellanmasse. Auch frei modellierte Garnituren, Blätter und Blüten, Girlanden und Dornen werden so von Hand mit einem Skalpell an Hecken, Bäume, Kruzifixe oder Terrinen angebracht. Zuletzt retuschieren die Bossierer feinste Nähte und arbeiten plastische Details wie Hände, Gesichtszüge und Oberflächen mit Modellierwerkzeugen heraus.

Viele Porzellanobjekte werden in der Malerei weiter veredelt. Im Atelier sitzen Spezialisten, die auch bei komplizierten Dekoren völlig schablonenfrei arbeiten. Allein bei den Grüntönen haben sie die Wahl zwischen etwa 300 Nuancen der im eigenen Farblabor hergestellten Farben. Das ist schon schwierig genug. Aber sie müssen auch noch bedenken, dass die Farben nach dem Brand ganz anders aussehen werden. Es ist zwar alles Handwerk, aber das zu beherrschen ist Kunst.

Jetzt werden auch die Edelmetalle aufgetragen, ein 24-karätiges Feingold oder eben Platin. Wir schauen zu, wie diese veredelten Partien, die nach dem letzten Brand stumpf und glanzlos aus dem Ofen kamen, manuell mit Halbedelsteinen wie Achaten oder Blutsteinen behutsam durch Polieren zum Glänzen gebracht werden. Jahrhundertealte Werkzeuge und langjährige Erfahrung sind unabdingbar.

Die Porzellan Manufaktur Nymphenburg ist die letzte reine Porzellanmanufaktur der Welt – und sie hat es geschafft, ihren Weg in die Zukunft aussichtsreich zu gestalten. Erfreulicherweise konnte sie dem Wandel der Stile und der Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse die Stirn bieten. Darum arbeitet sie heute einerseits der reinen Handarbeit verpflichtet mit dem Anspruch höchster künstlerischer Qualität – und andererseits in enger Zusammenarbeit mit den jeweils renommiertesten Designern, Architekten, und Gestaltern der Gegenwart. Diese Symbiose funktioniert: Wenn junge Designer heute neue Objekte für die Porzellan Manufaktur Nymphenburg entwerfen, könnten sie dies am Schreibtisch tun. Meistens aber gehen sie gleich in die Werkstätten, stellen ihre Ideen vor und erarbeiten gemeinsam mit den Kunsthandwerkern das handwerklich optimale Produktionsverfahren.

Das Buch:
„Porzellan Manufaktur Nymphenburg“

Auf 184 Seiten gibt dieser detaillierte Bildband erstmals faszinierende Einblicke in den Arbeitsalltag der meisterlichen Gewerke. Ein Jahr lang begleitete der Münchner Fotograf Frank Stolle Porzellanmaler, Dreher, Bossierer und Massemüller bei ihrer täglichen Arbeit mit seiner Kamera. Seine sensiblen Fotos nehmen den Leser mit auf einen Rundgang durch die Manufaktur, zu den großen Brennöfen, durch das Modell- und Formenarchiv, in die Formerei sowie ins Farblabor.

Lightscape.
Design by Ruth Gurvich

Porzellan, zart wie Papier, leicht und licht zugleich, einer Ästhetik des Unperfekten verpflichtet, aber mit absoluter Perfektion gearbeitet … Die aus Argentinien stammende Ruth Gurvich schuf mit Lightscape eine Edition, die komplett auf Papiermodellen basiert und dank ihrer formalen Offenheit universal einsetzbar ist: in der Küche, am Tisch, im Wohnraum. Ihre Entwürfe erheben das Papierne zum Prinzip, spielen virtuos mit den Eigenheiten des Materials, zeigen Knicke, Falten, Spannungen.

Weihnachtskugeln 2012

Für die Weihnachtsedition 2012 haben sich die Bossierer aus den Meisterwerkstätten der Porzellan Manufaktur Nymphenburg verschlungene Kugeln aus Sträuchern und Herbstlaub zum Vorbild genommen. Herabgefallene Zweige und Restblüten des Sommers verwirbeln zu wundersamen Gespinsten mit ornamentalem Charakter, die nun als Inspiration für Weihnachtsschmuck dienten.