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Was braucht man, um täglich für bis zu 5500 Menschen zu kochen? Weder eine Profi-Großküche noch einen kommerziellen Catering-Betrieb. Die Volxküche München macht’s vor: ein paar Biertische, ein paar willige Hände, die unverdrossen Gemüse schnippeln, einen Gasbrenner auf dem Boden. Sehr große Töpfe. Und jede Menge Idealismus. Perfekt, wenn man darüber hinaus nicht allzu viel Wert auf Schlaf und eigentlich gar keinen auf Freizeit legt.

Als ein ehemaliges Bahngebäude in der Richelstraße, gleich bei der Donnersbergerbrücke, im vergangenen Herbst vorübergehend zur Notunterkunft für Flüchtlinge wurde, sprang die VoKü in die Bresche. Von September bis Januar haben sie hier unverdrossen gekocht: freiwillige Helfer, ehrenamtliche Köche, stresserprobte Volxküchenchefs. Frühstück, heiße Getränke, zwei warme Mahlzeiten am Tag. Zusätzlich Unterstützung anderer Unterkünfte und Initiativen mit Mahlzeiten und Getränken. Aktuell engagieren sie sich dort, wo noch größerer Bedarf besteht: in einem französischen Flüchtlingslager.

Die Volxküche wurde anlässlich der Uni-Besetzung 2009 gegründet. Die Notwendigkeit war da, und rund zehn engagierte Leute fanden sich spontan zusammen, um dem Bedarf nach warmem Essen nachzukommen. Ein, zwei davon waren gelernte Köche und leiteten die übrigen Enthusiasten an. Bei der Räumung sorgte man dafür, dass das Equipment erhalten blieb. So konnten Moritz, Kristofer, Fabi und Sarge eine mobile Küche aufbauen, die an ihren Aufgaben wachsen sollte. Die erste folgte bereits in Jahr darauf, als das Bildungscamp München gegründet wurde. Beim alljährlichen Bildungsfestival vor der Uni wurden die alten Aktiven zusammengetrommelt und kochten gemeinsam auf – zu Spitzenzeiten für 2000 Leute. Das Prinzip bewährte sich: Ein Koch überlegt ein Essen, die anderen arbeiten ihm zu und rekrutieren freiwillige Helfer, die Biertische aufstellen und an ihnen Gemüse scheiden. Das Ganze wird als Gemeinschaftserlebnis gestaltet. Danach gab es weitere Aktionen: kleinere Sachen, Demos und auch das Protestcamp beim G7-Gipfel.

Als Anfang September die Flüchtlingwelle begann, stand ein perfekt eingespieltes Team bereit. Kristofer erzählt: „Wir haben uns schon am ersten Tag zusammentelefoniert und überlegt: Die Leute haben garantiert Hunger – da müssen wir was machen.“ Die Polizei schätzte die Lage anfangs noch falsch ein, meinte, dass warme Mahlzeiten überflüssig seien, da die Leute schnell registriert werden und dann weiterfahren würden. Tatsächlich mussten die Flüchtlinge teilweise bis zu zwölf Stunden warten, bevor es weiterging, weil nicht genügend Busse und Fahrer zur Verfügung standen. Kristofer: „Die Stadt erkannte die Notwendigkeit am Anfang nicht. Wir durften auch nicht auf dem Bahnhofsplatz kochen. Die Caritas hat uns dann in einen Hinterhof gelassen. Wir haben die Ausrüstung aus dem Keller geholt, Zelte aufgebaut und gekocht.“ Zu Fuß wurden dann die Töpfe zum Bahnhof getragen: „Es war eine echte Ausnahmesituation – niemand hat sich über irgendwas gewundert. Wir wurden eher wohlwollend zur Kenntnis genommen.“ Zudem wurde die Aktion mit einer Unmenge an Essensspenden von Supermärkten unterstützt.

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Vom Helferkreis am Bahnhof wurde dann der Standort in der Richelstraße ins Spiel gebracht. Mit nur 24 Stunden Vorwarnung ging es richtig los. Mit dem Sprinter wurde die mobile Küche in einen großen Raum in einem ehemaligen Gebäude der Bahn gebracht, wo sie für Monate bleiben würde. Die VoKü wurde jetzt von der Regierung unterstützt, sogar offiziell mit dem Kochen beauftragt. Sie bekam eine Gulaschkanone vom technischen Hilfswerk zur Verfügung gestellt. Stefan Graf vom THW, der zur Einweisung mitgeschickt wurde, blieb über seinen Auftrag hinaus beim Projekt und ist mittlerweile auch Mitglied der VoKü geworden.
Die Logistik funktionierte von Anfang an – was gut war, denn die Situation war unvorhersehbar. Teilweise gab es erst fünf Minuten vor Ankunft einer neuen Gruppe die Ansage: Gleich kommen 300 Leute. Die Koordination stellte eine echte Herausforderung dar, Essen musste konstant bereitgehalten werden, bis zu 3000 Mahlzeiten pro Tag. Doch die VoKü stellte ihre Effizienz unter Beweis und brachte Routine in das Chaos des Provisoriums.

Der feste Kern der Volxküche München sind rund 16 Leute, Köche und Küchenhelfer. Darüber hinaus gab es einen großen Stamm an freiwilligen Helfern, die sich über eine Doodle-Liste im Internet zu einer der drei Schichten pro Tag meldeten. Besonders am Anfang kamen die Freiwilligen in Scharen vom Hauptbahnhof hergelaufen, alle mit dem Wunsch, sich mit einzubringen. Einige verbrachten ihren Urlaub in der Küche, die freien Tage, alle Wochenenden. Als es zur Wiesn-Zeit ruhig wurde, weil die Flüchtlinge um München herumgeleitet wurden, wurde die Gelegenheit für einen schnellen Umbau der Richelstraße zum Notlager mit 300 Betten genutzt. Dadurch wurde alles planbarer: Es gab feste Essenszeiten, die Arbeit konnte anders geplant werden. Neben dem Kochen für die festen Gäste versorgte die VoKü die ZOB-Angels (die Leute, die täglich am ZOB freiwillig im Einsatz sind) mit heißen Getränken, warmem Essen, Obst und Süßigkeiten. Bei Bedarf wurden auch andere Standorte in München und Umgebung mit Lebensmitteln und Essen versorgt. Eine „wundersame Essensvermehrung“, wie Kristofer meint.

Dabei sind die Eintöpfe, Currys und Ratatouilles der VoKü Muc rein vegan. Volksküchen, die es in vielen deutschen Städten gibt, sind traditionell vegan aufgestellt. Das hat auch ganz praktische Gründe: Jeder kann mitessen, ob laktoseintolerant, halal oder koscher. Landestypische Küche konnte man dagegen der sehr gemischten Gästeschar nicht immer bereitstellen. Kristofer erinnert sich: „Syrier waren immer richtig glücklich, wenn es Hummus gab. Manche haben vor Freude geweint, als sie im fremden Land mit heimischer Kost begrüßt wurden.“ Von anderen Unterkünften gab es teilweise Geschichten zu hören, dass Salamisemmeln oder Wiener Würstchen verteilt wurden – für muslimische Flüchtlinge nicht zu essen. In vielen Orten wird auch nur ein Care-Paket verteilt: Toast, eine Fischkonserve, Wasser, ein Schokoriegel – teilweise über Tage, weil die Versorgung nicht funktioniert, die Unterkünfte überlastet sind.

Wer in der karg eingerichteten Küche in der Richelstraße zu den Höchstzeiten vorbeigeschaut hat, konnte sich gar nicht vorstellen, wie hier diese Mengen an Nahrung zubereitet und verteilt werden können. Wer mitarbeitete, bekam eine vage Vorstellung davon. Für den harten Kern ist dieses Engagement nichts weniger als ein Fulltimejob neben der normalen Arbeit. Wenn es einen toten Punkt gibt, dann hilft es, dass alle miteinander befreundet sind und nicht nur zum Arbeiten kommen. „Es macht Spaß“, stellt Kristofer fest. „Tatsächlich! Die Arbeit als Team, in einer tollen Gruppe von Leuten. Und man macht etwas wirklich Sinnvolles, sitzt nicht nur vor dem Fernseher und denkt, oje, da müsste man mal was machen.“ Es geht der VoKü dabei um Menschlichkeit, nichts weniger. Anteilnahme am Schicksal derer, die alles verloren haben und nur mit viel Glück mit dem Leben davongekommen sind.

Die Eintragung der Volxküche als gemeinnütziger Verein ist aktuell schon fast durch. Die VoKü möchte nebenher eine GmbH aufbauen, damit Catering-Leistungen in Rechnung gestellt werden können. Nicht aus Profitdenken: Das Geld geht zu 100 Prozent in die Finanzierung von Hilfsprojekten. Beispielsweise in die Zusammenarbeit mit Konvois, die man mit Essen versorgt, das dann an die Grenzen gefahren wird. Man teilt die eigenen Erfahrungswerte großzügig mit anderen privaten Initiativen, stellt ihnen Kochausrüstung bereit, bringt ihnen bei: „How to VoKü“ – wie man mobil mit minimalem Gerät riesige Mengen an Essen bereitstellen kann. Die VoKü hat einen Sprinter gekauft und zur mobilen Küche umgebaut, mit der 600 bis 700 Leute bekocht werden können. Die ist aktuell im „Dschungel“ im Einsatz, im Lager von Grande-Synthe bei Dünkirchen, wo die Volxküchler in Wochenschichten unter härtesten Bedingungen arbeiten. Nach Stand Anfang März werden sie dort längerfristig aktiv sein. Eine Übernahme des Teams in ein neues Lager der Ärzte ohne Grenzen ist ziemlich sicher.
Und sie schreiben auf ihrer Facebook-Seite: „Viel mehr noch als eine Mahlzeit brauchen die Gestrandeten dort jemanden, der sich mit ihnen auseinandersetzt. Und darum ging es in der VoKü doch immer – auch die zigtausend warmen Mahlzeiten, die wir seit September in München ausgegeben haben, waren doch immer nur Ausdruck des Gedankens, dass wir Menschen mit einem warmen Essen begrüßen wollten, um ihnen zu zeigen, dass sie willkommen –
und angekommen sind.“

www.vokue-muc.de
Freiwillige Helfer in der
Richelstraße 7 sind notwendig
und herzlich willkommen!
Nähere Info über Facebook:
www.facebook.com/Vokuemuc