Wie oft saßen wir hier? Ich könnte es nicht zählen, unmöglich. Meistens war es Freitag und wir waren nicht mehr in der Schule. Wie wir auf die Idee mit dem Schlosspark kamen, weiß heute niemand mehr so genau. „Gehen wir in den Park“, könnte einer mal gesagt haben. Vielleicht, weil er genau wie früher ein Platz ist, wo man den Alltag verlassen kann, um in eine unvergleichbare Welt einzutauchen. An Alltägliches dachte schon auf dem Weg keiner mehr, wir hatten aus am Nachmittag am Romanplatz getroffen, waren jung und kurz im Supermarkt, um dann das Wochenende auf einer unserer Bänke zu beginnen. So hatte man das früher sicher auch gemacht …


Zu unserer Zeit fanden das sicher nicht mehr viele so gut wie wir; Gleichaltrige, unsere Alten. Nein, die meisten hätten nicht einmal daran gedacht, die Party im ruhigen Schlosspark zu beginnen, aber wir saßen gerne dort, zwischen Fußgängern und Hunden, rauchten, tranken, waren Freunde. Irgendwann sollten wir wiederkommen, ohne Schnaps, dafür mit Sporthosen.
Die „traditionelle Bank“ nannten wir sie, weil wir hier zu Beginn fast immer saßen, gleich beim kleinen Schlösschen. Die Amalienburg hatten sie damals für die Fasanenjagd gebaut, irgendwann vor über 200 Jahren. Wir saßen nie im Gras, und im Regen ging es die Treppe rauf, unter das bisschen Dach. Bei schönem Wetter hatten manchmal welche die Bank bereits besetzt, als wir kamen. Das war dann schrecklich und wir regten uns auf, lauerten oder gingen weiter.
Eigentlich führten wir ja nur die alte Tradition fort, im Park Spaß zu haben. Nur, dass wir keine Adeligen waren und wir uns, mehrere hundert Jahre später, ganz ohne Gespielinnen, adelige Gesellschaft oder prächtige Mini-Bade-Schlösser vergnügten. Wir badeten lieber in Hochprozentigem.

Es gibt da diesen Baum, auf den wir immer sahen, wenn wir auf der „dunklen Bank“ saßen. Wenn man ihr Beachtung schenkte, gab es an dieser Pflanze immer etwas Neues zu entdecken. Aber lange achteten wir nie darauf, pinkelten eher mal dahinter. Die dunkle Bank …Ich habe den Dingen schon immer gerne Spitznamen gegeben. So dunkel ist es hier aber gar nicht, das Licht glänzt durch die Blätter, und in den Baumkronen hört man im Sommer die Millionen Insekten fleißig summen. Wie viele Menschen diesen dämmrigen Weg schon passiert haben müssen! Vielleicht gingen sie damals zur Badenburg, zum Schwimmen, umgeben von Prunk und Zuschauern rund um ein üppiges Bassin, das die ganze Burg ausfüllte. Oder man machte sich auf zu einem der vielen Feste, die im Saal der Badenburg abgehalten wurden.
Wir haben die Wege nie verlassen. Der Weg mit seinen Bänken war das Ziel. Prunk waren die Natur und die Stille, die uns oft laute Gesellen umgab und wir liebten den Park wie das Licht, das dem ein oder anderen hier öfters mal ausging. Der Schlosspark hat viel gesehen und mitgemacht. Im Krieg wurde viel davon zerstört, später wieder aufgebaut und noch heute kann man ein bisschen Bewegung im Park beobachten. Am Anfang unserer „Freitage“ standen hier zum Beispiel zwei Bänke. Irgendwann war eine nicht mehr da. Wen interessiert das? Uns damals.

Einmal, ein bisschen weiter weg, Richtung Badenburger See, vorbei an dem gewaltigen Baum, der uns immer an eine dicke Frau erinnerte, trafen wir dann „den Alten“. Er war entspannt, wir waren betrunken, und er erzählte uns von seinen halb gerauchten Zigaretten. Einer von der US-Armee habe ihm das nämlich damals an einer Bushaltestelle gesagt, ab der Hälfte sei die Zigarette ungesund. Seitdem hat er sie immer halb geraucht weggeworfen. Wie abgefahren…Nicht viele hätten sich zu uns gesetzt. Ob er noch im Park ist?

Wir kommen wieder, wir laufen. Es ist heiß oder kalt, egal. Wir sind zu zweit, wir rennen, die erste Hälfte an der Mauer, die zweite kreuzt den Hauptteil, dann nach links, es zieht sich hin, die letzten 100 Meter sprinten wir, mein Sprung über die Hecke schließt ab und wir laufen durch den Hauptausgang, dehnen. Am kleinen Brunnen beim Schloss waschen wir unser Gesicht, einer trinkt. Was ist aus uns geworden? Viel mehr, als wir dachten. Und immer waren wir im Schlosspark
wir werden hier bleiben.