Was will die Samtpfote? Lecker riechendes Dosenfutter mit viel Soja und Getreide? Vor allem Schlaf und ihre Ruhe? Gelegentlich Streit mit der Nachbarskatze? Wenn es jemanden gibt, der diese Fragen mit viel Verstand und tiergerecht beantworten kann, ist es Friederike Rajmann, die Betreiberin einer Katzenpension in Neuhausen. LocalLIFE hat sie besucht – und ein ungewöhnliches Tierparadies angetroffen.


Dass Besuch die Treppen in den vierten Stock hinaufkommen würde, hatte sich unter den Tieren in der Katzenpension längst rumgesprochen, wir mussten also nicht erst durch Klingeln auf uns aufmerksam machen. An der Wohnungstür wurden wir von Orlan-do, dem spanischen Siam-Mix-Kater, der Langhaarkatze Melina aus Malta, von Samir, dem Abessinier-Mix und von Pippo, einem katzengroßen Pinscher, begrüßt. Interessiert schnüffelten sie, schauten von unten noch oben, sprangen zwischen unseren Beinen herum. Eigen- tlich sei dies eher eine kleine Willkommensrunde, schmunzelte Friederike Rajmann. Hündchen Lilli sei bei einer Freundin zu Besuch, Yuma habe den Schlaf in einem Fensterbankkörbchen der Begrüßung vorgezogen und als Gast sei heute nur Shiva anzutreffen.

Shiva. Diese Gottheit, das konnte nur der graue Wuschel hinter dem Trennzaun zwischen dem Flur und dem riesigen Katzengästezimmer sein. Wir erfuhren, dass diese einstige Fundkatze schon seit einer Weile bei einer liebevollen Familie untergebracht sei, heute (zum wiederholten Mal) ihren ersten Tag in der Pension verbringe und sich deshalb noch ein wenig streit-
lustig zeige, weshalb das Gatter für die Göttliche ausnahmsweise notwendig sei. Nach Möglichkeit würden sich Gast- und Hauskatzen in allen Räumen frei bewegen – wenn Friederike Rajmann zu Hause sei. Den anwesenden Katzen, die sich, nachdem ihre Neugier gestillt war, von den Besuchern wieder abwendeten, schien der Zaun wenig auszumachen. Durch den Draht begannen sie, sich nach Raubkatzenart anzufauchen.

Auf die Idee, eine Katzenpension zu eröffnen, kam Friederike Raj-
mann, die seit ihrer Jugend immer mit Tieren zusammengelebt hat, als ein Zimmer in der Wohnung frei wurde – und sie weder Lust auf eine Wohngemeinschaft noch auf Untermieter hatte. So beschloss sie, den Raum für Katzen anzubieten, die sich in ihre Obhut begeben würden, wenn die Menschen Urlaub machen. Welche Katze ist schon gern allein zu Hause? „Katzen sind keine Einzelgänger, sondern Gruppentiere“, erklärt Friederike Rajmann, „sie unternehmen immer wieder etwas miteinander und vermissen auch ihre Menschen. Bei mir zum Beispiel sitzen sie manchmal abends zusammen am Kamin und putzen sich gegenseitig.“

In der Pension sind nur glückliche Katzen zu sehen, keine Frage. Überall in der Wohnung finden sie Hängematten und Kletterbäume, Kuschelkörbchen und Sprungbretter. Zwischen vier Stuhlbeinen sind Matten eingezogen, vor den Regalen stehen steile Rampen, und von der Decke hängt so mancherlei zum Klettern und Schaukeln herab. „Ich habe große Freude daran, die Wohnung dreidimensional zu gestalten, so schaffe ich ständig neue Bewegungsangebote“, erklärt Friederike Rajmann. Dann führt sie uns – weil der gesunde Katzenkörper nach dem gesunden Katzengeist verlangt – ihre anspruchsvollen Fummelbretter vor: Material gewordene Denksportaufgaben, bei denen es darum geht, Trockenfutter aus
allen möglichen Formen herauszujagen. Die meisten Katzen lernen das schnell und haben viel Freude damit. Immerhin sind sie biologisch betrachtet Raubtiere und zum Lösen solch anspruchsvoller Aufgaben fähig.

Katzen, deren Halter sogar für den Urlaub zahlen, führen meistens ein sorgloses Leben. Friederike Rajmann nimmt sich auch solcher Katzen an, die es schlechter angetroffen haben. Gemeinsam mit befreundeten Tierschützern vermittelt sie Katzen nach einer Aufpäppelphase in ein neues Zuhause. Bei der Auswahl der Plätze ist sie streng. Grundsätzlich entlässt sie Schützlinge nur an Menschen, die die Verpflichtung übernehmen, für die bestmögliche Lebensqualität, inklusive artgerechter Haltung und Fütterung, zu sorgen. Das bedeutet, dass sie Katzen nicht in Einzelhaltung abgibt – es sei denn, dass diese Katze viele Jahre so gelebt hat und erkennen lässt, dass sie sich partout nicht mit anderen Tieren beschäftigen will.

Während Orlando, nachdem er nicht ganz vergeblich versucht hatte, Cappuccino-Schaum aus der Tasse der Autorin zu stibitzen, mit geschlossenen Augen auf dem Schoss von Friederike Rajmann ein Nickerchen samt Streicheleinheiten nimmt – die anderen Katzen des Hauses schlummern in diversen Körbchen und Hängematten und scheinen dem Gespräch trotzdem aufmerksam zu folgen –, erklärt die Katzenliebhaberin uns, warum sie sich auch um Tiere aus Malta, Spanien und Griechenland kümmert: In jenen Ländern heißt Tierschutz vor allem, die Tiere zu kastrieren und sie dann wieder auf die Straße zu lassen. Wenn dann eine sehr menschenbezogene Katze auftaucht, die sich nicht allein durchschlagen könnte, wenden sich die Tierschützer gern an deutsche Kollegen, weil hier der Wunsch, einer Katze ein schönes Leben zu bereiten, weiter verbreitet ist. Selbstverständlich werden auch Tiere aus der Region vermittelt. Es ist nämlich nicht so, dass das Leben aller bayrischen Katzen ein Zuckerschlecken wäre.

Wir fragen nun nach dem idealen Speiseplan der Samtpfoten und lernen, dass die meisten der billigen Katzenfutterprodukte Fleischaromen, Proteine aus Soja und viel zu hohe Getreideanteile enthalten. Müsli ist gut für Menschen, aber Katzen sind nun mal hauptsächlich Fleischfresser. Soja und Getreide werden über die Nieren ausgeschieden, was diese nach und nach schädigt. Friederike Rajmanns Katzen und die Gäste, sofern diese nicht auf vertrauter Nahrung bestehen, erhalten hochwertiges Fleisch- oder Bio-Katzenfutter – weil das, was die Katzen im liebsten essen mögen, nicht in ausreichender Menge verfügbar ist: Mäuse.

Viel Zeit ist vergangen, und wir haben noch andere Dinge zu erledigen. Die Katzen merken, dass der Abschied bevorsteht. Auch Pippo erhebt sich und begleitet uns auf seinem Samtpfoten zur Tür. Orlando springt auf eine Säule, posiert mit seinem farbenfrohen Halsband als würdiges Katzendenkmal. Dann wirft er ein Auge auf Shiva und beschließt, sie gleich mal wieder anzufauchen. Es steht ihm einfach auf der Stirn geschrieben. Wir können das plötzlich lesen.

Weitere Informationen:
www.fritzis-katzenpension.de