Unverkennbar, die suchen jetzt die Jugendherberge: junge Menschen, die die U-Bahn am Rotkreuzplatz verlassen haben und nun mit
ordentlich Gepäck auf dem Rücken erst in alle Richtungen, dann wieder auf den Stadtplan schauen, um den kürzesten Weg zur zentralen Jugendherberge der Stadt zu finden.

Heute ist es so weit, wir gehen endlich auch dorthin. Ein paar Stufen hinauf – und schon empfängt uns eine eigene Welt. Wäschewagen zum Beispiel, der Klassiker. Hier bekommt man im Normalfall kein bezogenes Bett, hier muss jeder die Decken selbst beziehen, sofern er nicht einen Aufpreis zahlt. München hat genau zwei Jugendherbergen und wir stehen nun mittendrin in der 1. Großstadtjugendherberge der Welt. 1927 wurde das Haus eingeweiht und obwohl das ein Weilchen her ist, erinnert noch einiges im Haus an diese Zeit. Der Aufenthaltsraum unten links hat Holztäfelungen an den Wänden wie wir es von den alten Wirtshäusern kennen. Die Räume sind hoch und würdig, der große Bildschirm und der Kickertisch fallen gar nicht wirklich auf. Aus dem Hochparterre schauen wir durch halbrunde Fenster auf die Bäume der Wendl-Dietrich-Straße. Die Welt zu unseren Füßen.

Die ersten Jugendherbergen sind Anfang des 20. Jahrhunderts aus der Wandervogelbewegung entstanden. Sie waren gedacht als bezahlbare Unterkünfte für junge Menschen, Jugendgruppen und Schulklassen. Anders als kommerzielle Einrichtungen wie Pensionen oder Campingplätze verfolgen sie auch heute noch pädagogische Ziele, sehen sie sich als Partner der Jugendarbeit und der Schulen und treten für Frieden und Völkerverständigung durch den interkulturellen Austausch junger Menschen ein. Jugendherbergen gibt es inzwischen überall auf der Welt. Die rund 4.000 Einrichtungen sind über mehr als 90 Länder hinweg über den Weltverband Hostelling International miteinander vernetzt. Die Mitgliedschaft ist für eine Übernachtung erforderlich.

335 Betten stehen in München-City bereit – und meistens sind sie schnell belegt. Peter Krausnick, Leiter der Jugendherberge, erzählt uns, woher seine Gäste üblicherweise kommen. Knapp ein Drittel der Besucher ist aus einem anderen Land angereist. Rund 15 Prozent der Gäste sind Einzelreisende. Das Gros der Übernachtungen wird von Gruppenreisen abgedeckt, allen voran Schüler auf Klassenfahrt oder junge Menschen in der Weiterbildung. Sie wohnen in Schlafräumen mit maximal sechs Betten. Toiletten und sanitäre Anlagen sind auf allen Etagen zu finden. Eindrucksvoll helfen München-Gemälde und unterschiedliche Farben den Besuchern, die einzelnen Flure der drei Häuser mit ihren 82 Zimmern zu unterscheiden.

Die Jugendherberge in Neuhausen ist bei den Gästen sehr beliebt. Oft sind es ja Schulen und Lehrer, die sich dafür entscheiden, die Jugendlichen machen nicht mehrmals die gleiche Klassenfahrt. Peter Krausnick berichtet von der Deutschen Schule in Argentinien, die zu den Dauergästen zählt. Weil das Quartier offen und behütet zugleich ist. Wer mag schon seine Schäflein im Bahnhofsviertel absteigen lassen?

Und auch der Service überzeugt. Das üppige Frühstücksbuffet ist im Preis inbegriffen, und für 5,20 Euro kann derzeit ein gesundes und leckeres Abendessen eingenommen werden. Der Garten hinter dem Haupthaus steht allen Gästen offen. Und eine alte Trambahn lädt zum Einsteigen ein. Die Rezeption der Jugendherberge ist rund um die Uhr geöffnet. Die vielen Uhren, die die jeweils aktuelle Zeit an anderen Orten der Welt anzeigen, signalisieren: Hier ist jeder willkommen. Das heißt dann beispielsweise auch, den kulturellen Anforderungen der Gäste umstandslos entgegenzukommen: Die arabischen Jugendlichen werden von Männern zum Zimmer gebracht, die asiatischen Gäste erhalten auch noch in der Nacht heißes Wasser, um ihren Tee zuzubereiten. Keine Frage, dass ein Internet-Terminal für jeden zugänglich bereitsteht und dass die Fahrpläne des MVV sowie das breite kulturelle Angebot der Stadt stets auf dem aktuellen Stand für alle nachvollziehbar vorgestellt werden.

Anders als die Jugendherbergen in kleinen Städten oder in ländlichen Regionen hat sich München-City nicht auf einen Schwerpunkt wie Klettern oder Radeln oder Museen spezialisiert, obwohl die zahlreichen Museen der Stadt besondere Höhepunkte sind – und das macht ihren besonderen Charme aus. Wer in dieser wirklich großstädtischen Einrichtung übernachtet, sammelt bunte Eindrücke, die es so an keinem anderen Ort dieser Welt gibt. Ein ehrwürdiges Gebäude, eine aufmerksame Herbergsleitung, Gäste mit sehr unterschiedlichen Interessen aus aller Herren Länder. Ein Unikat. Ein Charakterhaus.

Wir fragen Peter Krausnick, welches München-Programm er seinen Gästen empfiehlt. Wie aus der Pistole geschossen erzählt er von der hervorragenden Infrastruktur in der Nähe, vom Hirsch-garten mit Skater-Anlage bis hin zum Museum „Mensch und Natur“. Auch gastronomisch hätte er viele Tipps auf Lager. Bei Sonne ins Jagdschlössl, für die Jugend das Sappralot und Rick’s Cafe, für die Familie das Wendlinger, für die Kultur das Ruffini … aber gerade Erstbesucher schwirren oft morgens weit aus und nehmen sich nicht ausreichend Zeit, die nähere Umgebung zu erforschen. Schade eigentlich!

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