Wie viele Schulen gibt es in der Schulstraße? Eine? Zwei? Drei? Wir kennen mindestens vier. Da gibt es die Rudolf-Diesel-Realschule in der Schulstraße 3 – und dann noch die Pralinenschule, die Dessertschule und die Schokoladenschule in der Schulstraße 38. Wie lecker klingt das denn?

Ein wenig versteckt liegt es schon, aber wer einmal hereingeschaut hat, wird immer wieder in dem kinder- und erwachsenenfreundlichen Schulhaus vorbeischauen wollen: Allein der Duft, der einen im kleinen Laden, der Aula, umfängt, wenn Kerstin Spehr, die nicht nur als Lehrerin, sondern vor allem als weiblicher Maître de Chocolatier tätig ist, drunten im Handarbeitsraum die Kuvertüren auf die richtige Temperatur erwärmt, Marzipan mit Rosenwasser verarbeitet oder Orangen kandiert, ist höchst verführerisch.

Nicht nur die Nase gerät in Verzückung, auch die Augen werden betört in dieser Welt aus Mohntrüffeln und Kaffeezungen, Knuspernougat und Schokoladenkaramell. Ein Königreich für Naschkatzen! Da gibt es zum Beispiel knackige Sperlis: das sind Schokosticks, die in Nuancen wie Kaffee-Mandel, Sesam-Orange oder Zimt-Cranberry angeboten werden. Wie die hausgemachten Schokoladen – zum Beispiel mit Minze, rosa Pfeffer, gezuckerter Olive oder Meersalz verfeinert – sind sie aus allerfeinsten Materialien hergestellt. Und das schmeckt man – zumal ein weiteres Plus dazukommt:

Alle Pralinen werden permanent frisch zubereitet, es gibt kaum Lagerzeiten. Kerstin Spehr erklärt, dass ihre Pralinen höchstens zehn Tage alt werden. Sie produziert in kleinen Chargen, es gibt keinen Zwischenhandel und keins ihrer Produkte muss deshalb aufwendig verpackt in warmen Verkaufshallen darauf warten, rechtzeitig einen Abnehmer zu finden. In der Pralinenschule gibt es lose Ware aus eigener Produktion, so wie man es beispielsweise aus Paris kennt, wo der Chocolatier nur seine eigenen Waren verkauft – und sich ausschließlich an diesen messen lässt. Da Kerstin Spehr ihre Experimentierfreude nach zehnjähriger Selbstständigkeit nicht nur erhalten, sondern auch ausgebaut hat, kommen immer wieder neue und köstliche Überraschungen dazu.

Eigentlich ist es einem Zufall zu verdanken, dass die aus Mecklenburg stammende gelernte Köchin, als sie vor 20 Jahren nach München zog, um ihr Talent im Restaurant des Olympiaturms unter Beweis zu stellen, ausgerechnet in der Patisserie landete. Aber sie war froh darüber, weil sie selbst eine Naschkatze war, und nutzte die Zeit, ihr Wissen über das Süße in der Welt immer weiter auszubauen.

Auch in der Schulstraße pflegt sie übrigens noch ihr Know-how in Sachen Desserts. Wer am Schaufenster vorbeischlendert, wird kleine Einweckgläschen sehen, in denen Tag für Tag köstliche Süßspeisen zum Mitnehmen angeboten werden. Und wer die Homepage des Unternehmens besucht, wird auf ihre kleine, feine Dessertschule stoßen.

Unterrichten: Das ist für Kerstin Spehr eine Art Freizeitausgleich am Wochenende, erzählt sie mit einem gewissen Amüsement. Sie freut sich darüber, die Schüler ihrer Pralinen-, Schokoladen- und Dessertklassen erst mit den theo-retischen Grundlagen, dann mit praktischen Herausforderungen wie dem richtigen Erwärmen der Kuvertüre und dem Anfertigen von Schokokörbchen zu konfrontieren. Das ist noch schwerer als es klingt, denn es gibt kein Schoko-Thermometer, und wenn die Sache schiefgeht, werden Praline oder Körbchen grau und matt. Kerstin Spehr strahlt und schnell wird klar: Wer bei ihr in der Schule war, wird sicher nur glänzende Ergebnisse abliefern und kann sich voll und ganz auf die Feinheiten wie das Verzieren mit echtem Blattgold oder das Anbringen von Schattenfolien auf Basis von Kakaobutter konzentrieren. Wer sein Wissen später zu Hause anwenden will, kann seine Zutaten im Laden der Pralinenschule besorgen: cremiges Fondant, feines Mandelnougat, edle Kuvertüren und sogar runde Hohlkörper aus bester Schokolade für alle, die sich erst einmal an einer raffinierten Füllung versuchen wollen.

Pünktlich zur Vorweihnachtszeit hat Kerstin Spehr ein handliches Pralinenbuch veröffentlicht, das einfache Rezepte vorstellt. Was Kerstin Spehr so „einfach“ nennt: sahnige Absinth-Kugeln, Sanddorn-Hütchen, Zimtblütenpralinen, Guaven-Limetten-Trüffel … Wir fragen uns, was dann bei komplizierten Rezepten herauskommen soll … und stürzen uns jetzt erst einmal in die Anfängerklasse, um ein paar Weihnachtsbaumanhänger aus Kuvertüre herzustellen. Mag uns vielleicht jemand helfen, die richtige Temperatur dafür zu finden?