Versteckt in Neuhausen, im Rückgebäude der Elvirastraße 11, befindet sich eine ungewöhnliche Einrichtung: das FabLab München.

„Was ist ein FabLab?“
„Ein Fabrication Laboratory, also ein Herstellungslabor.“
„Aha. Und was ist das?“
„Eine offene, demokratische Hightech-Werkstatt, in der dreidimensional gedruckt wird.
Sagt Wikipedia.“
„Warum drucken die? Was bringt das?“
„Wissen, Spaß, Austausch, Produkte. Komm einfach mal rein!“

Montag. Abend. Dunkel. Frost. Kein Mensch auf der Straße. Ich bin aufgebrochen, das FabLab zu besuchen. Einen gemeinnützigen Verein, der vom Softwareriesen SAP gefördert wird, von der Hans-Sauer-Stiftung und anderen. Hatte gehört, dass es jetzt endlich auch in München ein FabLab gibt, und gleich beschlossen, nachzuforschen. Wahrscheinlich werden heute auf der Mitgliederversammlung ein paar, hüstl, langweilige Nerds um einen Tisch herumsitzen und ihre Satzung diskutieren …
Die Treppen hinunter, in den Keller hinein. Helles Licht, wuselnde Menschen. Ich bin zu früh gekommen, aber offenbar hat alles schon längst angefangen. Da sitzen ein paar Männer und Frauen am Tisch und planen angeregt einen Workshop. Hinter ihnen arbeiten die Ultimaker, das sind 3-D-Drucker, fleißig ihr Pensum ab. Dabei verwandeln sie – auf Befehl eines Computers – eine Plastikschnur in das gewünschte Plastikobjekt, unbeirrbar surrend, Schicht für Schicht ihren Werkstoff auftragend. Mitten im Raum eine orangefarben gestrichene Säule, bestückt mit Nachrichten für Mitglieder und Gäste.
„Karma-Tipp #1: Die Zeit, die der Ultimaker braucht, um aufzuheizen, reicht locker aus, um mal eben einen Mülleimer nach draußen zur großen Tonne zu bringen.“ Aha. Verantwortung tragen alle. Wie schön. Meine Augen wandern herum und bleiben an einem Poster des Bundesministeriums für Bildung und Forschung hängen: „Ausgewählter Ort im Land der Ideen 2012.“ Eine Ausgabe von WIRED liegt herum, das kultige Technologie-Magazin. An der Wand hängen auch Besen und Kehrschaufel, dazu die rote Karte „Ein Herz für Nerds“. Auf einem Zeitschriftenstapel sehe ich den Flyer vom lokalen Pizza-Bringdienst liegen. Und: Wer den Keller verlassen will, muss die „Arschkarte“ passieren, die der letzte Besucher bitte ziehen möge, weil noch ein paar Jobs zu erledigen sind. Licht aus und so weiter.

Im Moment geht keiner, sondern es kommen immer mehr Menschen herein. Junge, etwas ältere, gut oder lässig gekleidete, kurz- und langhaarige, freundliche, lachende Personen. Sie zücken ihren Laptop oder stürzen sich in Einzel- und Gruppengespräche, von denen etwa zwanzig gleichzeitig stattfinden. Jeder weiß, was zu tun ist, kennt sich aus, hat einen Plan – während ich staunend auf der Treppe sitze und mir die Augen reibe. Da kommen Menschen nicht zu einer virtuellen, sondern zu einer realen Community zusammen. Die Straße ist also nicht deshalb leer, weil alle daheim am eigenen Computer hocken, sondern hier im Keller, wo die Geräte weniger mit anderen Seelen irgendwo in der Unendlichkeit des Seins Kontakt aufnehmen, sondern ganz real mit dem dritten Ultimaker rechts hinten im Eck. Tagsüber sind sie Schüler, Auszubildende, Studenten, Architekten, Grafikdesigner, Programmierer, Maschinenbauer, Pädagogen. Und abends kommen sie als Geek oder Freak, Bastler, Tüftler oder ganz normaler Heimwerker in den Keller, um sich miteinander zu vernetzen – und Dinge wie diese zu tun: Sie bauen Prototypen oder drucken Knöpfe, sie designen Ersatzteile für ihren alten Staubsauber oder sie helfen anderen, das – oder etwas ganz anderes – ebenfalls zu lernen. Einen 3-D-Drucker selbst bauen. Die Stickmaschine bedienen. Mit dem Laser-Cutter umgehen.

2002 wurde das erste FabLab in den USA gegründet. Seitdem verbreiten sie sich in rasanter Geschwindigkeit um den Erdball. Wikipedia beschreibt es so: „FabLabs ermöglichen den Zugang zu Produktionstechnologien und Produktionswissen auch dort, wo dies aus Gründen von Bildung, Alter, Wohlstand oder Region eher schwierig ist. So helfen FabLabs in Indien, Asien oder Afrika, lokale Probleme zu lösen und die Lebensqualität der Menschen zu erhöhen.“ Und bei uns? „In Industrienationen vermitteln FabLabs technisches Know-ho, zum Beispiel für Kinder und Jugendliche außerhalb des regulären Schul- oder Hochschulsystems, und tra-gen so zu einer Erhöhung der Bildungsgerechtigkeit bei.“ Aha. Nachwuchsarbeit. Daher also weht der Wind, wenn wir uns fragen, was renommierte Sponsoren dazu bringt, Gelder in die FabLabs zu investieren. Zukunft. Technikbegeisterung. Silicon Valley ist überall.

Nach der offenen Software nun also auch die offene Hardware: 3-D-Drucker, Laser-Cutter, CNC-Maschinen. Die Fabrik kommt in die Städte zurück, vielleicht wird sie eines Tages in die eigenen Wohnzimmer einziehen? Der Keller in der Elvirastraße ist nur der Anfang einer neuen Entwicklung, die manche als neue Stufe der digitalen Revolution bezeichnen. Von dort aus könnte das „Rapid Manufacturing“ unser Privatleben erobern – wie einst der „Personal Computer“, von dem damals niemand erwartete, dass bald jeder Mensch einen haben würde. Stellen wir uns also einen „Personal Fabricator“ vor, mit dem wir jedes beliebige Produkt ganz einfach so – drucken.

Zurück in die Elvirastraße – wo Besucher sehr willkommen sind. Vereinsmitglieder haben freien Zugang zu den Geräten und einem internen FabLab-Wiki. Externe können sich nach dem Besuch eines Laser-Kurses einen Abend lang für 35 Euro Gebühr an die Arbeit machen. Wer einfach nur mal die Luft des FabLabs schnuppern will, sollte ein Open FabLab besuchen. Alle Termine, auch die für das umfangreiche Kursangebot für Kinder und Jugendliche, finden sich auf www.fablab-muenchen.de. Weil die meistens Kurse sehr schnell ausgebucht sind, empfehlen wir, frühzeitig hineinzuschauen.