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Als Manuel Reheis, einer der beiden Inhaber des feinen Restaurants Broeding, vor ein paar Jahren von einem Händler in Meran ein Stück Käse als Kostprobe in die Hand gedrückt bekam, war er überwältigt. Er spürte eine Entspanntheit des Käses, wie er sagt, sah Stall, Kuh und Wiese vor sich, genoss den floralen Geschmack. Wie kommt ein solches Geschmackserlebnis zustande, fragte er sich, und machte sich auf den Weg zu dem Hof, von dem der Käse kam. Eine kleine, autarke Einrichtung im Vinschgau, in der man Obst, Gemüse und Getreide selbst anbaut und in der ein Käser in der alten Sennerei die Milch des eigenen Viehs in Butter und andere Rahmprodukte verwandelt. Deren Geheimnis: Das Basisprodukt stammt vom Braunvieh, einer verdrängten Art.

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Manuel Reheis erzählt uns, dass sich viele Bauern einst haben überreden lassen, die kleinen und breiten Braunviecher, die wenig Milch gaben, aber robust waren, durch Schwarzbunte und Fleckvieh zu ersetzen. Das war zunächst zwar wirtschaftlich erfolgreich, zog aber andere Probleme nach sich. Während das kleine, breite Braunvieh wunderbar kraxeln kann, lassen sich die zugereisten Milchtiere schon mal mit Traktoren und Lkws auf die Almen fahren. Ihre Figur passt nicht in die Berge, und darum wundert es nicht, dass zuweilen auch mal eine abstürzt. Außerdem verwerten sie das nahrhafte Gras der Almen nicht. Darum wird Kraftfutter zugefüttert. Das merkt man dem Tier und der Milch an – und dem Käse auch.

Dorli ist ein Braunvieh. Und Dorli ist die Kuh vom Broeding. Sie lebt auf dem Englhof der Familie Agethle im Südtiroler Örtchen Schleis, wo der Urgroßvater seine Überzeugung, dass die alte original Braunviehrasse die beste sei und deshalb wieder einziehen sollte, durchsetzen konnte. Mittlerweile stammt schon die Hälfte der Tiere wieder vom Braunvieh ab. Alle elf Milchkühe auf dem Hof haben ihre Hörner behalten, denn diese sind notwendige Körperteile und keinesfalls mit Fuß- oder Fingernägeln zu vergleichen! Hörner helfen, die Rangordnung in der Herde abzuklären. Das Entfernen bringt große Schmerzen mit sich. Aber es wird massenhaft praktiziert, weil Kühe statt auf den Weiden im Stall stehen und dort kein artgerechtes Sozialleben haben. Längst hat man übrigens auch festgestellt, dass die Milch von Kühen mit Hörnern – anders als die Milch von Kühen ohne Hörner – nicht zur Lactoseunverträglichkeit führt.

Dorli bringt einmal im Jahr, jeweils im Herbst, ein Kalb zur Welt, weil sie wie jede Kuh dieser Welt nur dann Milch produziert, wenn sie Mutter geworden ist. In den letzten Wochen ihrer Trächtigkeit steht das Braunvieh in 2300 Meter Höhe auf der Alm. Es wird nicht mehr gemolken und lebt ebenso autark wie die Bauern im Tal. Die jungen Kälbchen bekommen dann – was auch nicht selbstverständlich ist – anfangs Muttermilch und dürfen auch Gras fressen, das eigentliche Futter einer Kuh. Die weiblichen Kälber bleiben in der Herde und werden Milchkühe wie Dorli. Die männlichen Tiere haben ein härteres Schicksal: Sie werden, nachdem sie den Winter am Kalterer See verbracht haben, Kalbfleisch – und kommen im Broeding auf den Tisch.

Den Käse der Familie Agethle kann man gelegentlich im Restaurant verkosten – oder in Form von Genussscheinen erwerben. Wer direkt am Englhof vorbeifährt, darf damit auch vorzügliche Butter probieren.