Als Susanne Thiemann vor vielen Jahren ihrer Familie mitteilte, dass sie sich fortan auf das Anfertigen von Körben spezialisieren werde, stieß sie gar nicht auf Begeisterung. Dabei kann es kaum einen friedlicheren und bodenständigeren Beruf geben. Das Flechten gehört zu den sehr alten Fertigkeiten des Menschen. Körbe brauchte man, um Trauben zu ernten. Körbe nehmen Getreide auf, um es zum Markt zu tragen.

Mit flinken Fingern zeigt uns Susanne Thiemann in ihrer Korbmacherwerkstatt, in der der Geruch feuchter Weide liegt, wie ein einfacher Korb schnell Form annehmen kann. Ihre Werkzeuge sind Wasser, Schere, Messer und ein Schlageisen, mit dem die Weiden in die richtige Position geklopft werden. Das soll ein Traumberuf sein? Ja, sagt Susanne Thiemann, und sie führt uns ein in die tieferen Schichten dieses Handwerksberufs, in dem sie vor 25 Jahren ihre Meisterprüfung abgelegt hat. „Einen Rundkorb kann vielleicht jeder schnell bauen, aber schauen Sie sich diese Truhe an. Man muss einen stabilen Rahmen anlegen und haltbare Ecken auch. Und wehe, der Deckel passt nicht ganz genau.“ Korbmacher müssen mit großer Präzision an ihre Aufgaben herangehen, Proportionen ausloten und ein Sammelsurium an Techniken beherrschen. Wiener Geflecht? Binsenstühle? All das gehört dazu.

Dass Susanne Thiemann noch immer viel Freude an der Arbeit hat, liegt allerdings weniger an der Ausübung regelgerechter Handgriffe. Vielmehr hat sie sich entschieden, mehr mit den Materialien zu spielen, auch schon mal einen Fahrradreifen einzuweben, gröbere Formen zuzulassen und sich davon überraschen zu lassen, welche Formen ihre Hände so nach und nach gestalten. Auf diese Weise entstehen ungewöhnliche Objekte und Skulpturen, die wieder archaisch anmuten, zum Nachdenken bringen – oder einfach nur schön sind. Hatten wir schon verraten, dass Susanne Thiemann seit 2001 ein Zweitleben als Künstlerin führt?

Kreitmayrstraße 18