Touristen sichern Arbeitsplätze – zum Beispiel den von Stadtführern. Wir
trafen Heidi Karch aus Neuhausen, die seit über 30 Jahren und mit großer Begeisterung als ausgebildete Fremdenführerin nebenberuflich tätig ist.

Heidi Karch

LocalLIFE: Wird es nie langweilig, Menschen unsere Stadt zu zeigen?

Heidi Karch: Wie kann es das, wenn sich sogar unsere Berufsbezeichnung mit den Jahren ändert: Früher waren wir vom Fremdenverkehrsamt ausgebildete Fremdenführer. Heute arbeiten wir für München Tourismus und haben eine neue Brille auf der Nase. Wir sehen in den Gästen weniger das Fremde als den Menschen. Und die sind ja bekanntlich Individuen. Wenn Sie Gruppen von Schülern über Feuerwehrleute, Journalisten und pakistanische Generäle bis zu Vorstandsvorsitzenden unsere Stadt zeigen, ist keine Führung wie die andere.

LocalLIFE: Was haben Sie in Ihrer Ausbildung gelernt?

Heidi Karch: Theorie, Praxis und Busfahren. Ich war damals Studentin, unter anderem der bayerischen Geschichte, und wollte mein erstes eigenes Geld verdienen. So entschied ich mich, eine dreimonatige Ausbildung bei der Stadt München anzutreten, bei der ich eine schriftliche Prüfung über die Geschichte der Stadt ablegen musste. Dazu kam eine mündliche Prüfung, in der ich beispielsweise genau erklären musste, wie der Tierpark Hellabrunn aufgebaut ist, woher die Weißwurst kommt und wie das U-Bahn-System funktioniert. Es ging also darum, meine Reaktion auf Gästefragen zu bewerten. Bei der Busprüfung lernten wir, auf die Besucher, den Busfahrer, den Verkehr und auf unser Thema zugleich zu achten. Wenn Sie in den Bus einer Gruppe mit einem ortsfremden Fahrer einsteigen, müssen sie nämlich auch ihm den Weg weisen. Wenn Sie an einer Ampel stehen, sollte Ihnen ein Thema einfallen. Haben Sie die grüne Welle erwischt, muss der Stoff schnell noch verkürzt werden.

LocalLIFE: Was erzählen Sie beispielsweise auf dem Weg zum Schloss Nymphenburg?

Heidi Karch: Ab dem Stiglmairplatz bietet es sich an, über das Bier und die Brauereien zu sprechen. Mit dem Thema kommen Sie ganz schön weit, bevor Sie dann auf die Sommerresidenz der Wittelsbacher zusteuern. Spätestens an der Auffahrtsallee wechsle ich das Thema.

LocalLIFE: Wie lange dauert eine Schlossbesichtigung?

Heidi Karch: Das hängt von der Gruppe ab. Nymphenburg will jeder sehen. Das Schloss ist Standard bei fast jeder Führung. Manche fahren nur einfach langsam vorbei, dann hat man es eben schon einmal gesehen. Andere planen gerade fünf Minuten ein, einfach um Bilder zu machen. Wer noch weitere zehn Minuten investiert, lässt die Gruppe kurz in den Park hineingehen. Ab einer halben Stunde sehen wir das Hauptschloss mit seinen Highlights an: Steinerner Saal, Schönheitengalerie. Mehr ist in dieser Zeitspanne eben nicht drin. Ab einer Stunde geht es bis zur Amalienburg. Die Badenburg zeige ich eher bei individuellen Führungen. Die machen natürlich besonderen Spaß. So habe ich einmal einen Kindergeburtstag in den Schlosspark begleitet. Es ging zum „Liebesbaum“, der wie ein Haus fällt. Die Mutter hatte darunter ein Picknick vorbereitet und später Fächer als Give-aways ausgeteilt. Ich hatte die Aufgabe, die Fächersprache zu erklären. Das kam bei den jungen Damen sehr gut an. Jetzt wissen sie, wie man geheime Treffen ohne Worte und ohne SMS vereinbaren kann.

LocalLIFE: Was mögen Touristen im Schloss?

Heidi Karch: Das Deckenfresko im Steinernen Saal mit dem Bezug zum Garten und der antiken Götterwelt. Auch die Geschichte von Lola Montez gefällt meistens gut. Eine Frau, die den König um seine Krone gebracht hat: Das ist schon spannend. Ich stelle immer auch Helene Sedlmayr als „schöne Münchnerin“ vor und Lady Jane Ellenborough, die doch recht viele Männer und Liebhaber in ihr Leben eingebaut hat.

LocalLIFE: Wie schaut es mit dem Geburtszimmer von Ludwig II. aus?

Heidi Karch: Das zeige ich vor allem, wenn die Gruppe auch die Königsschlösser im Programm hat. Der Märchenkönig ist allerdings viel bekannter als Ludwig I. – und zwar weltweit.

LocalLIFE: Was würden Sie zeigen, wenn eine Gruppe mehr Zeit für Nymphenburg und Neuhausen mitbrächte?

Heidi Karch: Bei langen Touren schauen wir die Herz-Jesu-Kirche mit ihrer modernen Architektur an. Einige Gruppen gehen zum Mittagessen in den Hirschgarten. Ich habe aber auch schon privat Gruppen durch unser Viertel geführt. Zum Beispiel ging es im Rahmen einer Weihnachtsfeier für ein Münchner Unternehmen rund um den Rotkreuzplatz bis zum Victorian House. Wir haben außer Herz Jesu das Winthirkirchlein samt Friedhof besucht, die Geschichte vom wohlhabenden Bauern Lorenz Hauser gehört, der mit seinem Sechsspännern einmal den Prinzregenten provozierte …

LocalLIFE: Gehen Ihnen nie die Geschichten aus?

Heidi Karch: Neuhausen ist ungewöhnlich gut erforscht, und ein großer Dank dafür gebührt der Geschichtswerkstatt. Haidhausen hat zwar ein eigenes Museum, aber hier ist Geschichte wirklich lebendig. Vielleicht liegt es daran, dass das großbürgerliche Nymphenburg und das Kasernenviertel und die Arbeiterviertel so eng beieinander lagen? Es gibt einfach viel Stoff. Wussten Sie schon, dass die Trambahn früher durch die Blutenburgstraße gefahren ist?

LocalLIFE: Nein, wir lernen gerade dazu. Sind eigentlich die Gäste, die Sie führen, schon einmal dankbar für so viel sprudelnde Information?

Heidi Karch: Durchaus. Die pakistanischen Generäle beispielsweise, die im Übrigen äußerst gebildet waren, haben mir zum Abschied eine Mosaikschale aus ihrem Land geschenkt. Darüber habe ich mich sehr gefreut.

LocalLIFE: Vielen Dank für das Gespräch.